Seine Reise begann im Sommer 2019 nach der Leihe in Aarau mit einer kurzen Rückkehr zu seinem Stammverein BSC Young Boys. Dort wurde ihm eine erneute Leihe, diesmal in die Super League zum FC Lugano, nahegelegt. Nach einem harzigen Start im Tessin sammelte er dort wertvolle Erfahrungen in der obersten Schweizer Spielklasse. Zudem konnte er mehrere Spiele in der UEFA Europa League bestreiten. Besonders im Gedächtnis bleibt ihm sein Debüt auswärts gegen Malmö FF – vor stimmungsvoller Kulisse und mit grosser medialer Aufmerksamkeit. Die intensiven Wochen mit doppelter Belastung, vielen Reisen und grossen Stadien behält er in guter Erinnerung.
«Er sagte mir, dass ich mir überlegen solle, ob ich irgendeine Nummer in der Super League sein wolle oder nicht lieber beim FC Aarau eine echte Rolle einnehmen möchte.»
Doch dann kam der erste Corona-Lockdown, den er in seiner Heimatstadt Bern verbrachte. Als der Trainingsbetrieb wieder startete, erlitt er einen Ermüdungsbruch im Fuss – eine Verletzung, die eine Operation und Reha nach sich zog. Die Ungewissheit, wie es weitergehen würde, war nicht einfach. Zwar sah es anfangs nach einer Vertragsverlängerung in Lugano aus, doch letztlich kam es nicht dazu. Ein Interesse aus der 2. Bundesliga zerschlug sich ebenfalls, und so entschied sich Obexer schliesslich für den Wechsel zum damaligen Super-Ligisten FC Vaduz, wo er einen Zwei-Jahres-Vertrag unterschrieb.
Auch eine Rückkehr zu Aarau stand damals zur Debatte. Vom Telefonat mit dem damaligen FCA-Cheftrainer Stephan Keller blieb Obexer ein Satz besonders in Erinnerung. «Er sagte mir, dass ich mir überlegen solle, ob ich irgendeine Nummer in der Super League sein wolle oder nicht lieber beim FC Aarau eine echte Rolle einnehmen möchte», so Obexer. Der Satz hallt bis heute nach. «Ich war zu dieser Zeit getrieben von der Super League. Ob die Entscheidung richtig war, sei dahingestellt.»

Linus Obexer nach seiner Rückkehr im Aarauer Jubiläumstrikot
Beim FC Vaduz bestritt Obexer insgesamt 53 Pflichtspiele, inklusive Einsätze in der UEFA Conference League und dem alljährlichen Triumph im Liechtensteiner Cup – und trotzdem war die Zeit im Ländle herausfordernd für Linus Obexer. Die Distanz zu seiner Heimat machte ihm zu schaffen, dazu kam die auch durch Corona bedingte Einsamkeit, sodass die Freude am Fussball zeitweise verloren ging.
In der Winterpause der Saison 2021/22 war Stade Lausanne Ouchy an einer Verpflichtung Obexers interessiert, doch erst im darauffolgenden Sommer kam der Wechsel schliesslich zustande – auch wegen der Nähe zu seiner Heimatstadt Bern. Dies stellte sich als Glücksgriff heraus: Er spielte viel, erreichte mit Ouchy die Barrage und stieg schliesslich sensationell in die Super League auf. «Das Hinspiel in der Barrage gegen Sion war eines meiner besten Spiele, doch die Tage zwischen den beiden Partien waren eine extreme mentale Belastung», erzählt Obexer in Gedanken an die traumatische Erinnerung aus Aarau. «Die Barrage an und für sich ist nun verarbeitet, aber auf das wirkliche Happy End warte ich weiterhin.»

Linus Obexer mit seinem früh verstorbenen Freund Elia Alessandrini
Ein prägendes Erlebnis seinerzeit in Ouchy war der plötzliche Tod seines Mitspielers Elia Alessandrini, einer seiner besten Freunde. Die beiden kannten sich seit ihrer frühesten Jugend und gingen gemeinsam ihren Weg durch die Nachwuchsabteilung von YB bis in die 1. Mannschaft. Auch besuchten sie zusammen die Sportschule von der 7. bis zur 9. Klasse und absolvierten danach gemeinsam fünf Jahre im Gymnasium. Ihr Alltag war identisch, unzählige Stunden verbrachten sie miteinander und teilten viele besondere Momente – sei es auf dem Fussballplatz oder in ihrer Freizeit – und spielten schliesslich gemeinsam bei Stade Lausanne Ouchy.
«Elia war einer der Menschen, die ich am meisten gesehen habe in meinem Leben. Er war ein Macher, jemand, der immer alles legendär machen wollte – und es auch geschafft hat.»
Dann kam der Schock: Während eines Urlaubs mit seiner Freundin verstarb Alessandrini aus nicht abschliessend geklärter Ursache. Obexer selbst war zu diesem Zeitpunkt ebenfalls in den Ferien, und die Nachricht traf ihn extrem hart. «Elia war einer der Menschen, die ich am meisten gesehen habe in meinem Leben», sagt Obexer heute. Und: «Er war ein Macher, jemand, der immer alles legendär machen wollte – und es auch geschafft hat.» Im Verein blieb Alessandrini weiterhin präsent. Besonders in Erinnerung bleibt Obexer ihre letzte gemeinsame Reise, welche eine Gruppe von Ouchy-Spielern in Barcelona verbrachte – intensive und unvergessliche Tage, die nun einen bittersüssen Beigeschmack haben.
Die Saison mit Ouchy in der Super League war schwierig. Die Euphorie aus der Barrage war rasch verflogen: Wenig Zuschauer, viele Niederlagen – und dann auch noch eine Fussgelenksoperation, welche ihn während längerer Zeit ausser Gefecht setzte. Aufgrund des komplexen Heilungsprozesses mit anhaltenden Schmerzen kam Obexer in der Rückrunde nicht mehr zum Einsatz. Und so musste er den Wiederabstieg des Lausanner Quartiervereins tatenlos mitansehen, gefolgt von der Suche nach einem neuen Arbeitgeber.

Linus Obexer mit Marco Thaler
Dann kam Aarau wieder. Endlich passte es für beide Parteien, für Obexer war die Rückkehr ein «absolutes Heimkommen». Doch was ist bei Aarau anders als bei den anderen Vereinen? «Der FC Aarau deckt alle meine Bedürfnisse ab. Die Leute lieben den Verein, sie sind mit ihm verbunden. Es macht unglaublich Spass mit dieser Mannschaft, sowohl auf als auch neben dem Platz.» Man glaubt Obexer jedes Wort, auch weil er nach unserem Gespräch bereits freudig auf die Zeit zwischen dem Mannschaftessen und dem Nachmittagstraining blickt. «Wir spielen oft Karten, aktuell meist mit Andi Hirzel, Serge Müller, Marco Thaler und Marcin Dickenmann», erzählt Obexer. Apropos Thaler: Mit ihm verbindet Obexer bereits seit seinem ersten Engagement in Aarau eine Freundschaft, und bei später Rückkehr nach Auswärtsspielen oder frühen Morgentrainings darf Obexer jeweils in der Wohnung des langjährigen Innenverteidigers übernachten.
«So etwas durfte ich noch nie erleben – einfach überwältigend!»
Auch privat hat Obexer sein Glück gefunden – mit Freundin Veera ist er seit rund drei Jahren zusammen, seit Mai 2024 wohnt er mit der Geschäftsführerin eines Restaurants an der Aare in einer gemeinsamen Wohnung in der Berner Innenstadt. Zum Training nach Aarau pendelt er mit dem Zug und nutzt die Zeit, um seine Gedanken zu sortieren oder einfach abzuschalten. Im letzten Frühling hat Obexer seinen Bachelor in Wirtschaft erfolgreich abgeschlossen. Auch auf Unterstützung an den Spielen muss Obexer nie verzichten: Mutter Gabriela ist immer dabei, auch auswärts und an Testspielen. Vater Werner und dessen Partnerin begleiten ihn ebenfalls sehr oft zu den Spielen und sind sichtbar stolz auf ihn.

Linus Obexer erhält Glückwünsche von seiner Familie
Das erste Spiel nach seiner Rückkehr zu Hause gegen den FC Thun war für ihn trotz der Niederlage ein besonderes Erlebnis. «Ich war enorm vorfreudig und motiviert, aber auch unsicher nach der langen, verletzungsbedingten Fussballpause.» Als bisheriges Highlight bezeichnet er den Sieg gegen Thun vor wenigen Wochen, mit einer beeindruckenden Choreografie der Fans: «So etwas durfte ich noch nie erleben – einfach überwältigend!» Auch das gewonnene Cup-Spiel gegen den Super-League-Vertreter FC Luzern bleibt in Erinnerung. Einerseits dank des umjubelten Heimsieges mit einer überragenden Atmosphäre im Brügglifeld, andererseits aufgrund einer Premiere der anderen Art: Obexer erhielt die erste rote Karte seiner Karriere, was aufgrund seiner kämpferischen, schonungslosen Spielweise erstaunt.
Kürzlich hat der 27-Jährige seinen im Sommer auslaufenden Vertrag beim FC Aarau um eine weitere Saison verlängert und liess sich in der Aargauer Zeitung wie folgt zitieren: «Solange ich gesund bin und Lust auf Fussball habe, bestimmt auch der FC Aarau mein Karriereende.» In Aarau hat Linus Obexer seine sportliche Heimat gefunden – und vielleicht wartet hier das Happy End, das noch aussteht.
Matchzeitung Nr. 15 (2024/25) lesen
Dieser Artikel ist am 7. März 2025 in der Ausgabe Nr. 15 (Saison 2024/25) der Matchzeitung HEIMSPIEL gegen den Neuchâtel Xamax FCS erschienen.