Als David Acquah ein Junior war, versuchte er sich als Torhüter. Zwischen den Pfosten zeigte sich der schlaksige Jüngling durchaus talentiert, wie er beifügt. Er kam aber zum Schluss, Goalie sei nichts für ihn. «Danach spielte ich in jener Zeit als Stürmer», sagt er mit einem Lachen. Damals war noch vieles nicht durchorganisiert. Es ging einfach um die Freude für das Kicken, und wichtig war für ihn auch, sich mit den Jungs aus dem Quartier zu treffen.

Innenverteidiger mit Vorwärtsdrang
Geboren wurde David am 4. April 2001 in Accra, der Hauptstadt von Ghana. Die ersten Jahre verbrachte er indes bei seiner Grossmutter in der «Central Region», wie es David nennt. Die Zentralregion liegt im Süden des Landes. Mit neun Jahren zog David Acquah zu seiner Mutter Glady, die wegen der Arbeit in Accra lebte. Seinen Vater erwähnt er bei unserem Gespräch nicht oft. Hie und da habe er Kontakt mit ihm, fügt er bei.
Als David Acquah 13 Jahre alt war, starb seine Mutter im Alter von nur 45 Jahren. Er stand alleine da und fand ein neues Zuhause bei einem Freund seiner Mutter, der sich nun um David kümmerte. Zu seiner älteren Schwester wollte er nicht ziehen, weil sie in einer anderen Stadt wohnt.
Seine Eltern wollten, dass er in die Armee geht
Es kam der Tag, als der Freund seiner verstorbenen Mutter David Acquah mit Richary Norty bekannt machte. Noch ahnte David nicht, dass dies sein Leben verändern würde. Norty, der auch heute noch sein freundschaftlicher Berater und Mentor ist, erkannte sein Talent, ermutigte ihn, auf Fussball zu setzen und vermittelte ihn zum Tudu Mighty Jets Football Club. Das ist ein Verein in Accra, bei dem David Acquah erstmals auf einer strukturieren Basis Fussball spielte.
Als David seinen Vater anrief und ihm erklärte, er wolle Profi-Fussballer werden, war dieser gar nicht begeistert. Schon zuvor hätten ihm die Eltern geraten, sich bei der Armee zu bewerben, weil das eine sichere Stelle sei. «Aber in die Army wollte ich nicht», sagt David.

Ausgelassene Freude nach einem Sieg
Im Sommer 2019 wechselte er mit 18 Jahren von Accra in die 7500 Kilometer entfernte israelische Hafenstadt Haifa. Beim Traditionsverein Maccabi Haifa unterschrieb er einen Vierjahresvertrag und spielte bei der U-19. David musste früh auf den eigenen Füssen stehen, und er sagt, ihm sei dieser Wechsel nicht schwergefallen. Enge Verbindungen zu seiner Familie bestanden – ausser zu seiner Mutter und Grossmutter – offenbar nie. Er hat zwei Schwestern, drei Brüder, zwei Stiefbrüder und eine Stiefschwester. Aber erst als er schon drei Monate in Israel weilte, hätten sie wahrgenommen, dass er nicht mehr im Lande sei, erzählt David.
Aufstieg mit Hapoel Nof HaGalil
Bei Maccabi Haifa kam er nie im Fanionteam zum Einsatz. Im August 2020, während der Corona-Zeit, wechselte er auf Leihbasis zu Hapoel Nof HaGalil, einem Verein aus der zweiten Division, der knapp 50 Kilometer von Haifa entfernt beheimatet ist. Mit Hapoel Nof HaGalil bestritt David 42 Wettbewerbsspiele, erzielte vier Tore, und er schaffte mit dem Verein in der Saison 2020/21 den Sprung in die höchste Liga. Für den Aufsteiger lief er neunmal auf.
Anderthalb Jahre nach seiner Ankunft in Nof HaGalil ging seine Reise weiter. Nun lieh Maccabi Haifa den Abwehrhünen nach Hapoel Afula aus. Afula liegt ebenfalls nur knapp eine Autostunde von Haifa entfernt. Mit Hapoel Afula absolvierte David 52 Spiele in der zweiten Division und trug sich zweimal als Torschütze ein. Doch die Saison endete unschön. Hapoel Afula verpasste die Aufstiegsrunde. In der Abstiegsrunde wies der Club aber über so viele Punkte auf, dass er praktisch schon gerettet war. Als dann die Spiele gegen zwei Abstiegskandidaten verloren gingen, witterten einige Fans und Medien Verrat, wie David berichtet. «Dabei war da gar nichts. Wir hatten einfach schlecht gespielt.»

Acquah jubelt mit Abwehrpartner Serge Müller
Für Ohad Cohen, ehemaliger israelischer Profi-Fussballer und Spielervermittler von David Acquah, war dieser Zwischenfall Anlass genug, das Kapitel zu schliessen. Er erwirkte für den Verteidiger die Vertragsauflösung mit Maccabi Haifa. Und nach mehreren Monaten ohne Verein machte Acquah im Spätherbst 2023 Probetrainings mit dem FC Aarau und kam beim 2:2 im Test gegen Winterthur zum Einsatz. Während dieser Zeit logierte Acquah bei seinem Landsmann und damaligen FCA-Spieler Isaac Pappoe in Oberentfelden. Beide haben denselben Spielervermittler. Und da FCA-Sportchef Elsad Zverotic und Ohad Cohen schon beim Transfer von Pappoe zusammenarbeiteten und sich mittlerweile gut kennen, kam am 6. Februar 2024 auch der Wechsel von David Acquah zum FCA zustande. Mit Pappoe, der nach diversen Verletzungen erst einige wenige Teileinsätze bei seinem neuen Verein Ferencvaros Budapest erlebte, telefoniert David Acquah übrigens regelmässig.
«In Israel wird mehr gerannt»
Angesprochen auf einen Vergleich zwischen Israels zweiter Division und der Schweizer Challenge League sagt David: «In Israel wird mehr gerannt, hier wird mehr Wert auf die Technik und Taktik gelegt.» In taktischer Hinsicht habe er beim FC Aarau auch einige Zeit gebraucht, um sich ins Team integrieren zu können, erklärt er. Vor allem in Sachen Kommunikation habe es auf dem Spielfeld gehapert. Jetzt aber verstehe er sich mit Abwehrchef Serge Müller «fast blind».
David Acquah wohnt, wie einige seiner Teamkollegen, in Oberentfelden. Auch er hebt die ruhige Lage hervor. Von der Stadt Aarau habe er dagegen noch nicht viel gesehen, räumt er ein. «Ich war einige Male in Zürich, weil ich die Stadt cool finde und es dort ein afrikanisches Restaurant gibt, in dem ich gerne essen gehe.» Auch dass Zürich am See liege, gefalle ihm. Er trifft sich dann mit Daniel Afriyie, Stürmer des FC Zürich, der an der WM in Katar dem Kader von Ghana angehörte. Afriyie, mit dem David befreundet ist, kam am 8. Dezember 2024 letztmals beim FCZ in der Super League zum Einsatz. Ein Leihtransfer zu einem anderen Verein während der Winterpause zerschlug sich. «Er hat Probleme in Zürich, deshalb ist es wichtig, dass wir viel miteinander reden.» David Acquah weiss, wovon er spricht. Er hat einen weiten Weg gemacht, oft alleine, weit weg von seiner Heimat.
Matchzeitung Nr. 16 (2024/25) lesen
Dieser Artikel ist am 28. März 2025 in der Ausgabe Nr. 16 (Saison 2024/25) der Matchzeitung HEIMSPIEL gegen den Etoile Carouge FC erschienen.