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Goalie Lorenzo Bucchi spricht über die Verbundenheit mit seiner Heimatstadt Rom und verrät, warum es gar nicht so einfach ist, in Luzern Single zu sein.

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Rom, die «ewige Stadt», erbaut auf sieben Hügeln: Die Hauptstadt Italiens prägt eine lange und bewegte Geschichte. Sie ist Heimat des Trevi-Brunnens, der Spanischen Treppe, des Kolosseums, des Vatikans. Sie steht für Italianità, knatternde Vespas und launige Abende in Strassenlokalen. Rom, das ist aber auch das «Derby della Capitale» zwischen Lazio und der AS Roma. Mitten in dieser lebhaften Metropole wurde am 21. November 1983 Lorenzo Bucchi geboren, als Sohn einer Französin und eines Italieners. Apropos «Italiener»: Diesen sagt man gern nach, etwas mehr Temperament zu haben…

«In den ersten Nächten habe ich kaum geschlafen.»

Lorenzo Bucchi, nach seinem Platzverweis

«Du sprichst sicher auf meine rote Karte gegen Xamax an», so Bucchi. «Ja, ich bin ein heissblütiger Typ. Aber auf dem Platz verhalte ich mich grundsätzlich fair.» Das beweist auch ein Blick in die Statistik – Bucchis letzte rote Karte datiert aus dem Jahr 2007, und zu einer Unsportlichkeit hat er sich bisher noch nie hinreissen lassen. «In den ersten Nächten habe ich kaum geschlafen. Die Sache ist mir dermassen eingefahren, dass mir so etwas ganz sicher nie mehr passieren wird. Bei der Mannschaft und beim Verein habe ich bereits um Entschuldigung gebeten, und ich hoffe, dass mir auch die Fans verzeihen.»

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Lorenzo Bucchi hat sich beim FC Aarau eingelebt.

Zurück nach Rom: Bucchi liebt seine Heimatstadt sehr und ist stolz darauf, ein «echter Römer», sprich «einer aus der Innenstadt», zu sein. «Hier aufzuwachsen, war einfach wunderbar!», schwärmt der Italiener, «es gibt unzählige Möglichkeiten, die Freizeit zu verbringen. Und das Meer ist nah. Langweilig war es mir jedenfalls nie.» Zur Freizeitgestaltung des jungen Lorenzo gehörte auch der Sport – auch wenn dieser in der Familie nie ein grosses Thema war. «Papa Rodolfo weiss vermutlich noch immer nicht genau, was ein Offside ist», verrät Bucchi. Als Bub versuchte er sich in Tennis, Basketball und Rugby.  Doch in Italien ist das Spiel mit dem runden Leder eine Religion…

Da ist es fast logisch, dass sich die Jungs früher oder später König Fussball zuwenden. Die Träume des kleinen Lorenzo schienen schon früh zu platzen: «Schon bald fiel auf, dass ich als Fussballer eher bescheiden talentiert war, und so steckte man mich ins Tor. Meine Mutter scherzt oft, dass es logisch war, mich zum Goalie zu machen. Sie sagt, ich hätte schon als Kind das zweifelhafte Talent gehabt, schnell zu Boden zu gehen. Meine Hosen jedenfalls waren fast immer dreckig oder kaputt.»

«Passierschein A38»

Mutter Sylvie sollte Recht behalten: Im Tor hat Lorenzo definitiv das richtige Händchen. Im Alter von 15 Jahren verliess er Rom in Richtung Modena, um seine Fussballerkarriere so richtig zu lancieren. Diese führte ihn 2005 zur AC Bellinzona, wo er vier Saisons voller Höhepunkte erlebte. An die Schweiz musste sich Lorenzo erst gewöhnen: «Die Uhren ticken hier halt einfach anders. Die Schweizer sind zwar etwas zurückhaltend und nicht so lebenslustig wie die Italiener. Dafür extrem zuverlässig und pünktlich – und alles funktioniert reibungslos. Darauf dürft Ihr echt stolz sein!»

«Die Mafia hat ihre Hände im Spiel.»

Lorenzo Bucchi, über seine Heimat

Das ist in Italien – und speziell in Rom – ganz anders: «Hier muss man sich einen ganzen Tag frei nehmen, um irgendwelchen behördlichen Papierkram zu erledigen.» – Das erinnert schwer an «Asterix erobert Rom». Im Zeichentrickfilm werden Asterix und Obelix in einer kafkaesken Odyssee von Abteilung zu Abteilung eines römischen Verwaltungsgebäudes geschickt, um an den ominösen «Passierschein A38» zu kommen. «Ja, genau so muss man sich das vorstellen», lacht Lorenzo Bucchi. «Erschwerend kommt hinzu, dass die Mafia natürlich auch in Rom ihre Hände im Spiel hat. Das ändert sich hoffentlich mit der im Juni neu gewählten Bürgermeisterin Virginia Raggi, die den Verwaltungsapparat fit machen und von der Korruption befreien will.»

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Gute Stimmung bei Lorenzo Bucchi und Alessandro Ciarrocchi

Man merkt, der Aarau-Goalie ist politisch interessiert. 2015 hat er seinen Bachelor in Politikwissenschaften und internationalen Beziehungen abgeschlossen. «Weil ich die Ausbildung berufsbegleitend und nicht vor Ort in Rom absolviert habe, dauerte es bis zum Abschluss nicht die üblichen vier, sondern insgesamt zehn Jahre. Kein Wunder, hielten mich einige Kommilitonen anlässlich der Prüfungen für einen Professore», erinnert sich Bucchi schmunzelnd.

Internationale Beziehungen pflegt Bucchi auch privat: «Wir sind eine sehr kosmopolitische Familie. Meine Mutter stammt aus Frankreich, ist aber in Saudi Arabien geboren. Meine Schwester kam in London zur Welt und reist heute als Mitarbeiterin einer bekannten Luxusmarke von Weltstadt zu Weltstadt. Dadurch bin auch ich ein Globetrotter geworden. Bei mir allerdings steht bei der Wahl des Reiseziels ein guter Surfspot im Vordergrund. Ich brauche nur Wellen und ein Brett, dann bin ich glücklich.»

Ein Förderer der Jugend

Dann plant der Aarauer Schlussmann also eine zweite Karriere als Politiker, Diplomat oder Surflehrer? Er winkt ab. «Nein, um dem Fussball ganz den Rücken zu kehren, liebe ich ihn zu sehr. Ich kann mir aber gut vorstellen, als Funktionär tätig zu werden. Die nötige Grundlage habe ich mir mit dem Studium ja geschaffen, und in diesen Kreisen ist Diplomatie ja auch gefragt.» Bucchi hat sich aber auch direkt «in der Branche» weitergebildet. Er besitzt das UEFA-B-Diplom und das Diplom «Torhütertrainer SFV Niveau 2». Damit darf er als Trainer von U-10 bis U-18 sowie in der 1. Liga tätig sein.

Vor allem die Arbeit mit Kindern macht dem Italiener Spass: «Ich liebe es, kleinen Talenten zu helfen, sich zu entwickeln. In diesem Alter sind sie noch formbar. Und Mannschaftssportarten wie Fussball sind eine echte Lebensschule! Man lernt, Autoritäten zu respektieren, sich in den Dienst des Teams zu stellen und mit fünfzehn, vielleicht zwanzig anderen Kindern auszukommen.» Seine Fähigkeiten als Trainer hat Bucchi schon mehrfach unter Beweis gestellt: Während seiner Zeit beim FC Luzern hat er drei Jahre lang als U-14- und U-17-Goalietrainer gearbeitet.

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Lorenzo Bucchi mit viel Spass in der Luft

Luzern brachte Lorenzo Bucchi aber nicht nur erste Erfahrungen als Trainer, sondern auch die grosse Liebe – und zwar völlig unerwartet. «Gerade erst angekommen, hatte ich mir fest vorgenommen, erst mal eine Weile das Singleleben zu geniessen. Doch schon im allerersten Ausgang in Luzern bin ich Raquel begegnet.» Die heute 35-jährige Spanierin ist in der Leuchtenstadt aufgewachsen und hat Lorenzos Herz im Nu erobert. Mittlerweile sind die beiden stolze Eltern des vier Monate alten Sergio Gael.

«Ganz klar: Unser Sohn wird Roma-Fan!»

Lorenzo Bucchi, glühender Fan

Der Name des gemeinsamen Nachwuchses «funktioniert» in Italien, Spanien und auch Frankreich und trägt so den Wurzeln seiner beiden Familien Rechnung. Weniger kompromissbereit ist Papa Lorenzo, wenn es um die «fussballtechnische Erziehung» seines Sohnes geht: «Ganz klar: Unser Sohn wird Roma-Fan. Sollte Raquel ihm jemals ein Trikot einer spanischen Mannschaft schenken, wird es sofort entsorgt.» Da spricht ein wahrer Roma-Tifoso. «Ja, ich gebe zu, ich bin ein ziemlich vergifteter Fan.» Ein Aarau-Shirt darf Sergio aber natürlich tragen: «Der FCA ist ja auch nicht gerade ein direkter Gegner der AS Roma», lacht Bucchi.

Matchzeitung Nr. 4 (2016/17) lesen

Dieser Artikel ist am 10. September 2016 in der Ausgabe Nr. 4 (Saison 2016/17) der Matchzeitung HEIMSPIEL gegen den FC Le Mont-sur-Lausanne erschienen.

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