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Einst wagte Ridge Mobulu ein grosses Abenteuer in Nordamerika, nun hofft er beim FC Aarau nach seiner Verletzung schon bald angreifen zu können.

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Ridge Mobulu führt eine bisher eher ungewöhnliche Fussballer-Karriere. Der Aarauer Offensivspieler mit kongolesischen Wurzeln erzählt im Gespräch mit HEIMSPIEL, wie er über Nacht vom Nicht- zum Vielflieger wurde und warum er so gut wie nie auf seinen älteren Bruder angesprochen wird.

In Kinshasa, der Hauptstadt Zaires, fand 1974 der «Rumble in the Jungle» statt – der legendäre Boxkampf zwischen George Foreman und Muhammad Ali. Zu dieser Zeit regierte Mobutu Sese Seko in einer an Korruptheit kaum mehr zu überbietenden Diktatur. Er sollte zwar während der beiden Kongokriege (1996 – 2003) gestürzt werden, doch das Land kam nicht zur Ruhe. Wirtschaft und Sozialsysteme brachen nun vollends zusammen, ganze Landstriche wurden weit- gehend entvölkert, und man geht von mehr als drei Millionen direkter oder indirekter Kriegsopfer aus. Als sich die ersten Kriegsvorboten wie ein Schatten über die heutige Demokratische Republik Kongo senkten, flohen Florent Kashama Mobulu und seine Frau José Ngia 1990 in die Schweiz. Mit dabei die ersten drei Kinder – unter ihnen auch der damals neunjährige M’Futi.

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Als das alles passierte, war Ridge Mickael Mobulu noch nicht geboren. Er erblickte am 29. Juni 1991 in Aigle (VD) das Licht der Welt. Hier fand er im Alter von fünf Jahren auch seine Leidenschaft zum Fussball. «Das war allerdings keine grosse Überraschung: Das ‚Fussball-Gen’ haben wir Mobulu-Kinder alle von unserem Vater geerbt.» Nach zwei Fussballjahren in Yvorne erhielt der damals 15-jährige Ridge seinen ersten Vertrag bei Lausanne-Sport. Im Alter von 19 Jahren, zum Start der Saison 2010/11, tat Ridge etwas Ungewöhnliches – er trat die Reise über den grossen Teich an. Was andere Spieler wie Chiumiento, Hassli und Rochat erst in ihrem Karriereherbst getan haben, steht im Lebenslauf des erst 24-Jährigen also fast zuoberst: Er heuerte in der 2. Division der NASL (North American Soccer League) an.

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«Es war eine spontane Entscheidung nach Vancouver zu wechseln.»

Ridge Mobulu, Nichtflieger

Wie kam es zu diesem doch sehr unüblichen Schritt? «Ehrlich gesagt, war das eine relativ spontane Entscheidung», so Mobulu. «Mein Berater schlug mir den Wechsel zum Vancouver Whitecaps FC vor. Erst einmal konnte ich mir überhaupt nicht vorstellen, von zu Hause wegzugehen – und meine Eltern noch weniger», lacht Ridge Mobulu. «Ich meine, als 19-Jähriger einfach so kurz mal nach Nordamerika zu gehen, ist ja schon ein ziemlich verrücktes Abenteuer! Als dann aber bekannt wurde, dass mein ehemaliger Teamkollege bei Lausanne, Bedri Gashi, ebenfalls nach Vancouver geht, habe ich mein Herz in die Hand genommen und dem Wechsel zugestimmt.»

Ein mutiger Schritt! Zumal der junge Ridge bis zu diesem Zeitpunkt noch nie ein Flugzeug von innen gesehen hatte. Das «Abenteuer Vancouver» startete dann aber doch etwas harziger als gedacht: «Weil Bedri mit seiner Abreise noch warten musste, bis er 18 war, musste ich schliesslich doch alleine fliegen. Der Abschied von meiner Familie war schlimmer, als ich ihn mir vorgestellt hatte. Ich habe geweint und zweifelte während des ganzen Flugs an meiner Entscheidung. Die ersten Tage in Kanada waren hart. Ich kam in Vancouver an – mein Tag hatte schon viel zu viele Stunden – und musste direkt ins Training, den Jetlag im Gepäck. Zudem hatte ich in den ersten Tagen weder Handy noch Internet, weshalb es sehr schwierig war, mit Zuhause Kontakt zu halten.»

Rundreisen in Amerika

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Aus sportlicher Sicht war die Eingewöhnung leicht: «Das Niveau der NASL entsprach in etwa der damaligen Challenge League – Kampfgeist und Physis standen im Vordergrund.» Die rein organisatorischen und logistischen Unterschiede sind aber natürlich frappant: «Die Entfernungen zwischen den Spielorten sind so gross, dass ein Car als Fortbewegungsmittel natürlich lächerlich wäre. Da gibts nur das Flugzeug. Wenn wir mehrere Auswärtsspiele nacheinander hatten, lohnte sich meist nicht einmal die Rückkehr nach Vancouver.»

Mobulu unternahm also regelrechte «Rundreisen“ durch den nord- und mittelamerikanischen Kontinent – sie führten ihn unter anderem nach Portland, Austin, Fort Lauderdale und sogar Puerto Rico. «Die ständigen Jetlags waren natürlich eine enorme Belastung für den Körper. Doch man gewöhnt sich daran, aus dem Koffer zu leben. Ausserdem bekommt man eine Menge zu sehen.»

«Aarau ist der erste Club seit Lausanne, bei dem ich mich wirklich zu Hause fühle.»

Ridge Mobulu, glücklich

Aus dem ehemaligen «Nicht-Flieger» ist also ein richtiger Vielflieger geworden. Führten ihn seine Reisen auch schon in die Heimat seiner Eltern? «Bisher noch nie. Ich habe dort zwar noch Verwandte, aber der Kongo ist kein Land, in das man einfach mal so in den Urlaub fährt. Zudem fühle ich mich in der Schweiz zu Hause – auch wenn ich den Schweizer Pass nicht besitze.» In der Schweiz zuhause ist Ridge Mobulu nun wieder seit Sommer 2011, seit seinem Wechsel zu Stade Nyonnais in die Challenge League.

Blickt man auf seine bisherige Karriere, so fällt eine gewisse Unstetigkeit auf. «Das stimmt, und es entspricht eigentlich überhaupt nicht meinem Naturell», so Mobulu. «Im Grunde suche ich nach Stabilität und würde gern länger bei einem Verein bleiben. Das könnte durchaus der FC Aarau sein. Es ist der erste Club seit Lausanne, bei dem ich mich wirklich zu Hause fühle.»

Ein ungeliebter Gegenspieler

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Aktuell ist Ridge Mobulu mitten in der Rekonvaleszenz. Der Innenband-Anriss im linken Knie, den er sich im Cup-Achtelfinal gegen Le Mont-sur-Lausanne durch ein Foul von Elhadji Ciss zugezogen hat, ist seine erste ernsthaftere Verletzung. Wie hat er diese erlebt? «Direkt nach dem Foul habe ich den Schmerz gespürt, konnte ihn aber erst nicht richtig einordnen. Deshalb versuchte ich erst, aufzustehen und weiterzuspielen. Erst da wurde mir klar, dass es nicht geht.

Die Heilung verläuft aber gut, und es sieht danach aus, dass ich Anfang Dezember wieder mit der Mannschaft trainieren kann.» Einen persönlichen Schluss zieht Mobulu aus dieser Verletzung: «Ich werde schauen, dass ich nicht mehr gegen Ciss spielen muss. Vorletzte Saison – wir spielten beide in der Promotion League, ich bei Le Mont, er bei Sions U21 – schlug er mir während eines Spiels ein Stück meines linken Schneidezahns aus. Es sieht so aus, als hätte er es auf meine linke Körperhälfte abgesehen», schmunzelt der FCA-Offensivspieler.

Bruder mit Aarauer Vergangenheit

Auf seinen älteren Bruder M’Futi Mobulu, der in der Rückrunde der Saison 2009/10 ebenfalls beim FC Aarau unter Vertrag stand und heute beim Erstligisten FC Stade Lausanne-Ouchy spielt, wird Ridge zu seinem Erstaunen kaum je angesprochen. Doch da sein Bruder den Vornamen M’Futi als Trikotnamen verwendet, machen die meisten Fans den Link zwischen den zwei Brüdern nicht auf Anhieb. Als ich ihn darüber aufkläre, reagiert er fast erleichtert: «Das hat mich immer sehr gewundert – zumal sich ja auch unsere Körpersprache und Technik sehr ähneln. Doch jetzt ist mir alles klar!» Mit seinem Bruder hat er nicht nur das fussballerische Erscheinungsbild gemein – bei Familie Mobulu wird oft Gospel gesungen. Ein Hobby, das Ridge auch allein im stillen Kämmerlein betreibt und sich dabei selbst auf dem E-Piano begleitet. Bleibt zu hoffen, dass er nicht nur gesanglich, sondern auch sportlich bald wieder auftrumpfen kann. Wir jedenfalls drücken weiterhin die Daumen für eine baldige Rückkehr aufs Spielfeld.

Matchzeitung Nr. 10 (2015/16) lesen

Dieser Artikel ist am 5. Dezember 2015 in der Ausgabe Nr. 10 (Saison 2015/16) der Matchzeitung HEIMSPIEL gegen den FC Le Mont-sur-Lausanne erschienen.

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