Als wir Hammerich auf dem Areal der Alten Kantonsschule Aarau (AKSA) treffen, verlassen die anderen Schüler freudig das Gebäude. Die Frühlingsferien stehen vor der Türe. Viele Pläne für die schulfreien Tage werden ausgetauscht. Keine Zeit für Reisen hat Mats Hammerich. Der 18-jährige Kantonsschüler zählt seit der Winterpause zum Kader der 1. Mannschaft des FC Aarau und möchte in die grossen Fussstapfen von ehemaligen FCA-Spielern wie Loris Benito, Joël Mall oder Silvan Widmer treten, die den selben Weg mit Doppelbelastung von Schule und Sport erfolgreich gemeistert haben.
«Ich muss meine Privilegien mit guten Leistungen in der Schule zurückzahlen.»
Hammerich profitiert an der AKSA von einer speziell auf die Bedürfnisse junger Talente abgestimmten Sportklasse, die den Schülern erlaubt, an zwei Tagen in der Woche auch tagsüber an Trainings teilzunehmen. Im Gegenzug wird der obligatorische Schulstoff über einen längeren Zeitpunkt vermittelt, wodurch die Matura erst nach fünf Jahren abgeschlossen wird. «Die Schule ist sehr flexibel. Diese Privilegien muss man mit guten Leistungen zurückzahlen», sagt Hammerich. Er setzt sich jeweils zu Wochenbeginn mit FCA-Assistenztrainer Andy Ladner zusammen, um zu besprechen, wann Hammerich mit der 1. Mannschaft trainieren kann und was er zusätzlich individuell trainieren soll.
Weil er Spielpraxis braucht, spielt Hammerich aktuell meistens im Team Aargau U21. Dort ist Hammerich – wie auch in der 1. Mannschaft – der jüngste Kaderspieler. Dennoch fühlt er sich in beiden Mannschaften wohl. Erleichternd kommt sicherlich hinzu, dass er mit vier anderen U21-Spielern in die gleiche Klasse geht. Ansonsten ist seine Gruppe aber sehr heterogen – mit jungen Talenten aus den Bereichen Handball, Judo, Tennis und sogar Turmspringen. «Am meisten zugehörig fühle ich mich zur 1. Mannschaft», sagt Hammerich. Vor der Winterpause durfte er drei Tage vorspielen und überzeugte dabei auch FCA-Cheftrainer Marco Schällibaum mit seinen Qualitäten. «Da habe ich natürlich nicht nein gesagt», lacht Hammerich. Er habe sich riesig über die Aufnahme gefreut.
Ein Vorbild in allen Belangen
Am Anfang sei es mit der schulischen Belastung und vermehrten Trainings sehr streng gewesen, doch mittlerweile habe er sich an den neuen Rhythmus gewöhnt und gelernt, Prioritäten zu setzen. «Die Trainings mit der 1. Mannschaft sind viel intensiver und schneller als vorher in der U18. Ich muss lernen, meinen Körper richtig einzusetzen», so Hammerich. Im Nachwuchs spielte er während zwei Jahren unter dem vormaligen FCA-Cheftrainer Ranko Jakovljevic. Dieser findet nur lobende Worte für seinen Ex-Captain: «Mats ist ein sehr intelligenter Spieler, hat viel Ruhe am Ball und ist in allen Belangen ein Vorbild. In seinem Jahrgang ist er schweizweit einer der Besten auf seiner Position.»
Dies durfte Mats Hammerich vor einigen Jahren bereits in der U15-Nationalmannschaft unter Beweis stellen, wurde aber seither nicht mehr aufgeboten. «Andere waren damals weiter als ich», erklärt er selbstkritisch, «aber natürlich wäre es toll, wieder zu Einsätzen in der Schweizer Nationalauswahl zu kommen.» Hammerich ist polyvalent einsetzbar, fühlt sich aber als Sechser im defensiven Mittelfeld am wohlsten, «weil man das ganze Spiel im Blick hat und alles unter Kontrolle halten kann», erzählt er.
Zusammen mit seinen Eltern und den jüngeren Geschwistern Lars (16) und Lena (14) wohnt Hammerich in Birmenstorf. Dank Vater Nils, einem gebürtigen Hamburger, ist Hammerich auch im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft. Auch die Leidenschaft für den Fussball scheint er von seinem Vater übernommen zu haben, denn dieser spielte einst im Hamburger Vorort Lurup selbst Fussball und war in jüngeren Jahren auch in Hamburger Nachwuchsauswahlen vertreten.
Raphaël Wicky als erstes Vorbild
Von seiner Familie geerbt hat Hammerich auch die Liebe zum Bundesliga-«Dinosaurier» Hamburger SV. Dieser gilt – wie es auch den FCA viele Jahre zutraf – als «unabsteigbar», denn die Rothosen sind als einziges Gründungsmitglied der 1. Bundesliga noch nie aus der obersten Spielklasse abgestiegen. Zuletzt rettete sich der HSV zweimal nur über die Relegation, sodass auch Hammerich in den letzten Jahren viel mit seinem Herzensverein leiden musste. Bei den Hamburgern spielte auch sein erstes Vorbild, der Schweizer Mittelfeldspieler Raphaël Wicky – noch immer hängt ein Trikot des aktuellen U18-Trainers vom FC Basel im Zimmer von Hammerich. Heutzutage fasziniert ihn vor allem das Spiel von Toni Kroos, dem Deutschen in Diensten von Real Madrid.
«Ich habe mir mein erstes Spiel in der 1. Mannschaft schon oft vorgestellt.»
Von seinem Zuhause in Birmenstorf an die Alte Kanti pendelt Hammerich täglich rund 30 Minuten mit Bus und Bahn. Um nach der Schule möglichst rasch im Brügglifeld zu sein, hat er sich vor einigen Wochen ein Fahrrad zugelegt. Wenn er am Wochenende beim Team Aargau U21 eingesetzt werden soll, macht er deren Abschlusstraining mit. Ansonsten trainiert er in der 1. Mannschaft. Nur zu einem Einsatz in der Meisterschaft hat es noch nicht gereicht: «Natürlich werde ich etwas nervös sein. Ich habe mir mein erstes Spiel schon oft vorgestellt und freue mich riesig, vor so vielen Zuschauern spielen zu dürfen», sagt Hammerich zum nächsten Etappenziel in seiner jungen Karriere.
Ausgebildet beim FC Baden war Hammerich über das Team Limmattal (U13) zu Aarau gewechselt. Er erinnert sich: «Als ich in der U14 war, wurde noch im Schachen trainiert. Nach der Aufnahme ins Team Aargau (U16) wurden wir schrittweise ans Brügglifeld herangeführt.» Inzwischen ist das Stadion zum festen Arbeitsort geworden. Natürlich würde sich Hammerich in einigen Jahren gerne als Fussballprofi in der Raiffeisen Super League sehen, am liebsten natürlich beim FCA. Inzwischen habe er das gesamte Umfeld kennenlernen dürfen. «Es fühlt sich an wie eine Familie», schwärmt Hammerich, der die letzten Jahre – abgesehen von einem Bänderriss im letzten Jahr sowie Kniebeschwerden aufgrund von Wachstumsstörungen – stets von Verletzungen verschont geblieben war.
In der Freizeit ist er mit Freundin Yara oder mit Kollegen unterwegs – auch dann wird immer wieder gegen das runde Leder getreten. «Einen Leichtathletik-Wettkampf meiner Schwester Lena sollte ich auch endlich besuchen», weiss Hammerich, dessen Eltern zur Unterstützung an vielen Spielen anwesend sind. Wie es nach der Matura weitergehen wird, hängt natürlich auch mit der persönlichen Entwicklung beim Fussball zusammen. «In erster Linie möchte ich den Durchbruch als Fussballer schaffen, doch auch parallel zu meiner Sportler-Laufbahn könnte ich mir ein Fernstudium vorstellen», so Hammerich.
Matchzeitung Nr. 17 (2015/16) lesen
Dieser Artikel ist am 20. April 2016 in der Ausgabe Nr. 17 (Saison 2015/16) der Matchzeitung HEIMSPIEL gegen den Neuchâtel Xamax FCS erschienen.