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Ivan Audino will seine Karriere auf dem Brügglifeld neu lancieren. Dazu pendelt er täglich von seinem Wohnort Wetzikon nach Aarau - und abends wieder zurück.

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Das Jahr 2016 brachte dem Flügelspieler bisher wenig Erfreuliches. In den letzten Monaten musste er nicht nur den Tod seines Vaters verarbeiten, sondern sich auch damit abfinden, dass er beim FC Wil – trotz Vertrag bis 2020 – keine Einsatzmöglichkeiten mehr erhielt.

Es waren die ersten Brüche in einer Karriere, die der Fussball zuvor schon oft so geschrieben hatte. Aufgewachsen in Wetzikon, begann Ivan Audino mit den Kindern aus dem Quartier gegen den Ball zu treten. Als Fünfjähriger schloss er sich dem örtlichen Fussballclub an, war aber auch in seiner Freizeit – wann immer möglich – mit einem Fussball unterwegs. «Heute sehe ich die meisten Kinder im Quartier mit einem Smartphone herumhängen. Umso dankbarer bin ich, dass ich eine andere Kindheit erleben durfte.»

«In dieser Zeit habe ich realisiert, dass es zum Profi reichen könnte.»

Ivan Audino, über seine Jugend

Der Fussball sei damals allgegenwärtig gewesen, die klare Nummer 1 der Freizeitbeschäftigungen. Vom FC Wetzikon kam er als Teenager in die U-16 nach Winterthur. Nach Abschluss der Oberstufe begann Audino eine kaufmännische Lehre in der Eulachstadt. «In dieser Zeit habe ich realisiert, dass ich noch mehr aus mir herausholen kann und es zum Profi reichen könnte.»

Als er zweieinhalb Jahre später beim FC Zürich in die U-21 aufgenommen wurde, konnte er die Lehre direkt neben dem Letzigrund an der United School of Sports weiterführen und einen Abschluss in Dienstleistung und Administration machen. Zur selben Zeit erreichte Audino das erste Aufgebot für die U-18-Nationalmannschaft der Schweiz, damals trainiert von Pierluigi Tami. Beim Debüt sorgte Audino mit seinem Premierentreffer sogleich für die Entscheidung im Spiel gegen Luxemburg.

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Ivan Audino spielt erst seit kurzem im FCA-Trikot

Es folgten weitere Spiele mit der U-18-Auswahl und später auch Einsätze mit der U-19. Eine Ehre und tolle Erfahrung seien diese Länderspiele gewesen, so der Doppelbürger mit Wurzeln in Italien. Einst war sein Grossvater aus dem Süden seines Heimatlandes über Jahrzehnte als Saisonnier in die Schweiz zum Arbeiten gefahren. Ivans Vater Domenico arbeitete ebenfalls bereits als Teenager saisonal in der Schweiz, bevor er sich als junger Mann mit seiner Ehefrau definitiv in der Schweiz niederliess und hier eine Familie gründete.

Zurück zu Ivan Audino, welcher der U-21-Mannschaft des FC Zürich während dreieinhalb Jahren angehörte und auch in der Super League debütierte, ehe er ein Angebot vom FC Wil erhielt. In der Ostschweiz blieb Audino für vier Jahre. «Eine tolle Zeit», wie er heute resümiert. Einmal mehr – wie schon zu seinen Juniorenzeiten – avancierte er rasch zu einer wichtigen Teamstütze und verbuchte 51 Torbeteiligungen in 126 Spielen. Allerdings lernte er zuletzt auch erstmals die Schattenseiten als Profi-Fussballer kennen.

Eine ungewohnte Situation

Nachdem er lange Zeit als unbestrittener Stammspieler galt und nach dem Einsteigen der türkischen Investoren gleich einen gutdotierten Fünfjahresvertrag (bis 2020) erhielt, sah er sich plötzlich mit mehr Konkurrenz konfrontiert. War sich Audino zuvor gewöhnt, dass beim FC Wil die besten Spieler verkauft wurden, veränderte sich die Ausgangslage mit der neuen Finanzkraft merklich: «Plötzlich spielte ich mit international bekannten Spielern zusammen, viele von ihnen mit Champions-League-Erfahrung», blickt Audino zurück. Anfang dieses Jahres, nach dreieinhalb Saisons als Stammspieler und nur wenige Monate nach der Vertragsunterzeichnung, wurde ihm von der Vereinsführung mitgeteilt, dass man derzeit nicht auf ihn setzen werde.

Eine zuvor unbekannte Situation für Audino – mit Ausnahme einer Zwangspause nach einem Nasenbeinbruch vor zwei Jahren und einigen kleineren Verletzungen war Audino stets Stammspieler gewesen. Es sei schwierig für ihn gewesen, doch «solche Entscheidungen muss man akzeptieren.» Dies fiel ihm zu Beginn nicht leicht, er suchte die Schuld anfänglich in erster Linie bei den anderen. Erst durch Gespräche mit seinem Berater sowie mit der Familie und Freunden lernte Audino mit der schwierigen Situation umzugehen und cool zu bleiben.

«Ich musste mit vielem klarkommen.»

Ivan Audino, über Schicksalsschläge

In dieser Zeit ereilte ihn jedoch ein weiterer, weitaus schwererer Schicksalsschlag. Vater Domenico verstarb im Mai 62-jährig an einem Hirnschlag. Der Vater war einer von Ivans grössten Fans und besuchte nahezu alle Spiele – nicht nur jene mit dem Verein, sondern sogar Einsätze mit den Nachwuchsauswahlen im Ausland. «Ich vermisse ihn. In diesem Jahr kam alles auf einmal, ich musste mit vielem klarkommen», erzählt Audino.

Die schweren Monate haben ihn reifen lassen. «Ich habe gelernt, was im Leben wirklich zählt.» Er habe den Verlust seines Vaters, auch durch den Fussball, verhältnismässig schnell verarbeitet. Die Familie sei noch näher zusammengerückt – sowohl seine Mutter als auch seine drei älteren Brüder sind regelmässig an Spielen anwesend. «An Unterstützung fehlt es mir nicht», so Audino, dessen Familie meist auch vor Ort ist, wenn er nicht spielt: «Das gibt mir viel positive Energie.»

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Abklatschen mit den Line-Up-Kids

Der Blick nach vorne hat sich für ihn gelohnt; die Anfrage aus Aarau kam jedenfalls genau zum richtigen Zeitpunkt. Weil er in Wil nicht mehr mit der 1. Mannschaft trainieren konnte, hatte er sich im Wiler Nachwuchs sowie auch mit individuellen Trainingseinheiten fit gehalten. Im Sommer blieb er komplett ohne Spielpraxis. Umso mehr sehnte er sich danach, wieder auf dem Platz stehen zu dürfen. Der FC Aarau konnte einen Leihvertrag bis Ende Saison mit seinem bisherigen Arbeitgeber aus der Ostschweiz aushandeln. «Nach der langen Zeit ohne Einsätze bin ich richtig euphorisch gestartet», lacht Audino.

Zudem habe Trainer Marco Schällibaum viel mit ihm gesprochen und ihn zusätzlich motiviert, sodass er sich nun wieder «total bereit» fühle. Letzte Woche in Chiasso stand Audino erstmals bei einem Meisterschaftsspiel in der Aarauer Startelf und setzte mit seinem Assist sowie einem Lattentreffer bereits ein erstes Ausrufezeichen. «Ich muss mich wohl fühlen, ich kann nicht schauspielern», so Audino, dem das familiäre Umfeld in Aarau sehr gut gefällt. Bleibt zu hoffen, dass das Jahr 2016 für ihn doch noch versöhnlich endet.

Matchzeitung Nr. 8 (2016/17) lesen

Dieser Artikel ist am 30. Oktober 2016 in der Ausgabe Nr. 8 (Saison 2016/17) der Matchzeitung HEIMSPIEL gegen den FC Winterthur erschienen.

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