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In der Matchzeitung «HEIMSPIEL» spricht Cheftrainer Stephan Keller über die Zeit als Spieler beim FC Aarau, die Rückkehr als Trainer und die räumliche Trennung zu seiner Familie in der Wahlheimat Holland.

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Das Medieninteresse am FC Aarau hat in den letzten Wochen spürbar zugenommen. «Der FC Wunder ist zurück», titelt das grösste Schweizer Boulevardblatt in markanten Lettern. In beinahe jeder Runde wird der FCA-Match zum Live-Spiel auf «blue» auserwählt. Das Schweizer Fernsehen SRF seinerseits widmete dem aktuellen Challenge-League-Leader kürzlich einen Beitrag im «Sportpanorama». Und nach dem Gespräch mit HEIMSPIEL wartet bereits ein Journalist der Neuen Zürcher Zeitung auf den Termin mit dem Cheftrainer. Mit Gelassenheit, aber auch Genugtuung nimmt Stephan Keller diese Wertschätzung zur Kenntnis. Zu Recht wird ihm ein grosser Anteil am momentanen Höhenflug des FC Aarau «angelastet».

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2004: Stephan Keller als FCA-Spieler mit Matteo Vanetta

Weniger Spuren hinterliess Keller bei seinem kurzen Engagement als FCA-Spieler im Jahr 2004. Erst wenige Monate zuvor noch mit Einsätzen in der Nationalmannschaft und als Captain des FC Zürich, fiel er beim Letzigrund-Verein in Ungnade. «Eigentlich strebte ich bereits damals einen Ausland-Transfer an. Als mich Aaraus Trainer Martin Rueda kurz nach Beginn der Rückrunde anrief, war ich gerade in Cardiff im Probetraining. Da sich der Wechsel auf die Insel nicht realisieren liess, erschien mir die Lösung mit dem FCA als beste Option», erinnert sich Keller. 12 Spiele bestritt der damals 24-Jährige für den immer mehr in den Abstiegskampf verwickelten Club. Sein Debüt endete mit einer 3:6-Abfuhr in Thun, zum Ligaerhalt in der Super League reichte es schliesslich aber dennoch. Zu seinen Teamkollegen gehörten im Übrigen Gerardo Seoane (aktuell Trainer bei Bayer Leverkusen, davor dreimaliger Meister mit dem BSC Young Boys) und Matteo Vanetta (seit letzter Woche YB-Coach).

Zurück zum FC Aarau statt zum SFV

Mit einem halben Jahr Verzögerung liess sich der Wechsel ins Ausland doch noch realisieren. Erst nach Deutschland (Rot-Weiss Erfurt, 2. Bundesliga), dann Holland, Australien und zurück in seine neue «Wahlheimat» in den Niederlanden. «Nach meinem Rücktritt als Spieler wollte ich mir ein Jahr Zeit geben, um mich neu zu orientieren. Vielleicht einen Betrieb aufbauen. Doch schon nach kurzer Zeit begann ich ein Praktikum beim PSV Eindhoven.» Anschliessend ergab sich die Möglichkeit, als Nachwuchstrainer bei NAC Breda einzusteigen. «Da habe ich realisiert, dass das Trainerbusiness etwas sein könnte für mich.» Nach vier Jahren, in denen er viele Erfahrungen sammeln durfte, sollte der nächste Schritt erfolgen. «Ich reichte mein Dossier beim Schweizerischen Fussballverband ein. Dort konnte man mir keinen Job anbieten. Aber der SFV fragte mich an, ob er die Unterlagen an einen Challenge-League-Verein weiterleiten dürfe, der auf der Suche nach einem Assistenztrainer sei.»

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2018: Im Gespräch mit Ton Verkerk, damaliger FCA-Cheftrainer

So war es mehr dem Zufall geschuldet, dass sein erster Schweizer Club nach 13 Jahren in ausländischen Diensten wiederum der FC Aarau war. Nach der Freistellung von Marinko Jurendic im Frühling 2018 übernahm Keller als Interimstrainer, zusammen mit dem Holländer Ton Verkerk, der über die notwendigen Diplome verfügte. Inzwischen hatte Sandro Burki das Amt als Sportchef übernommen. «Sandro war 16-jährig, als er vor seinem Wechsel zu Bayern München für ein halbes Jahr beim FC Zürich spielte. In einem Trainingslager waren wir Zimmerkollegen und haben uns gut verstanden. Danach hatte ich aber keinen Kontakt mehr zu ihm bis zu meiner Rückkehr nach Aarau.» Die Arbeit Kellers beim FCA hinterliess Eindruck bei Burki. Vereinsintern machte der Sportchef damals die Aussage, dass Keller fachlich der beste Trainer sei, den er bisher in seiner Karriere erlebt habe.

Keller nahm sich nach dieser Saison eine Auszeit, begann mit der Ausbildung für die Uefa-Pro-Lizenz, welche Voraussetzung für ein Cheftraineramt in der Swiss Football League ist, er erweiterte sein Netzwerk und arbeitete für seinen Betrieb, einen Getränkehandel, den er zu dritt aufgebaut hat. Im Januar 2019 folgte das neuerliche Comeback in Aarau als Assistent von Patrick Rahmen und schliesslich dessen Ablösung im Sommer vor zwei Jahren.

«Ich bin gespannt, wie wir als Familie funktionieren, wenn wir in Zukunft wieder unter dem gleichen Dach wohnen.»

Stephan Keller, über seine familiäre Situation

Seine Familie lebt nach wie vor im holländischen Waalwijk. Angesprochen auf seine in einem früheren Interview getätigte Aussage, er sei in der Schweiz mit dem FC Aarau verheiratet, sagt Keller: «Es ist schon so, dass ich nicht auf die Uhr schaue, wie lange ich im Büro bin. Ich brauche also gegenüber niemandem ein schlechtes Gewissen zu haben, wenn es wieder einmal später wird.» Lässt sich ein Trainerjob überhaupt mit einem «normalen» Familienleben vereinbaren? Der Vater von drei Söhnen im Alter von 19, 17 und sieben Jahren sagt: «Für meine Frau und mich ist die schulische Ausbildung unserer Kinder sehr wichtig. Daher haben wir uns für diesen Weg entschieden. Als wir aus Australien zurück nach Holland kamen, war es für die älteren beiden Söhne schwierig, sich im neuen Schulsystem zurechtzufinden. Ich kenne die Situation als Trainer im Profifussball also gar nicht anders als so, wie sie sich jetzt präsentiert. Ich bin gespannt, wie wir als Familie funktionieren, wenn wir in Zukunft wieder unter dem gleichen Dach wohnen.»

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Heute: Als Beobachter mit Assistenztrainer Norbert Fischer

So sind seine Trainerkollegen im Staff jene Leute, mit denen er momentan die meiste Zeit verbringt. Keller weiss, was er an ihnen hat: «Norbert Fischer verbindet Fussball und Athletik wie kein anderer, er hat die Mannschaft physisch auf das Level gebracht, das wir für unseren Spielstil benötigen. José Barcala ist ein Fussballfachmann in den Gebieten Spielentwicklung und Analyse, die verbesserte defensive Stabilität hat auch mit ihm zu tun. Flamur Tahiraj ist weit mehr als ein Goalietrainer und Petar Alexandrov springt immer dort ein, wo es ihn braucht. Nicht zu vergessen, dass auch der ganze Medical Staff einen vorzüglichen Job macht!»

«Ich finde es super, hier zu spielen»

Stephan Keller fühlt sich sehr wohl in Aarau. Er schätzt die schöne Altstadt, die einladenden Restaurants, die Nähe zur Aare. «Hier kann man alles gut mit dem Velo erreichen.» Wenn er in den Gönhardwald joggen geht, freut er sich, wenn ihm von Spaziergängern ein scheues «Hopp Aarau!» entgegenkommt. Und natürlich gefällt ihm das Stadion Brügglifeld. «Dieser Retrostyle sagt mir zu. Ich finde es super, hier zu spielen. Für die Anwohner ist es halt weniger lustig, wenn der Nachbar alle 14 Tage Party feiert. Ein Umzug ist sicher notwendig, aber nicht unproblematisch. Viele ausländische Clubs haben gezeigt, dass es schwierig ist, die Atmosphäre ihrer Heimstätte in ein neues Stadion zu ­zügeln. Doch am Schluss muss das Produkt stimmen, sprich der Fussball, der gespielt wird. Ein Stadion ist nur die Verpackung.»

Und das Produkt darf sich seit dem «Neuanfang» vor knapp zwei Jahren absolut sehen lassen. Wir dürfen uns auf ein hochklassiges Saisonfinale freuen, verbunden mit der Hoffnung, dass der FC Aarau sein ambitioniertes Ziel erreicht und Stephan Keller der nächste Aufstiegstrainer sein wird nach Paul Stehrenberger (1981) und René Weiler (2013).

Matchzeitung Nr. 15 (2021/22) lesen

Dieser Artikel ist am 19. März 2022 in der Ausgabe Nr. 15 (Saison 2021/22) der Matchzeitung HEIMSPIEL gegen den Yverdon Sport FC erschienen.

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