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Im Spielerportrait spricht Elsad Zverotic über seine lange Karriere als Spieler, das Leben als vierköpfige Familie und den Traum von der Europa League.

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Seine ersten Trainings absolvierte Elsad Zverotic bei den Wattwiler Juniorenmannschaften, später beim FC Bazenheid. So richtig ins Träumen kam der kleine Nachwuchsfussballer mit montenegrinischen Wurzeln aber in der «grossen» Stadt: «Während meiner Juniorenzeit war ich Balljunge beim FC Wil und stellte mir während der Spiele oft vor, selbst als Profi auf dem Feld zu stehen. Ich habe die Wil-Spieler bewundert, aber mein ganz besonderes Vorbild war der Brasilianer Ronaldo – der kam damals gerade nach Europa und wurde hier zum grossen Star.»

«Am Anfang meiner Karriere habe ich Tore am Laufmeter geschossen.»

Elsad Zverotic, im Wiler Nachwuchs

Seinem Traum kam Elsad Zverotic schon im Alter von zehn Jahren näher – der FC Wil holte ihn in seine Nachwuchsabteilung. «Am Anfang war ich Stürmer und habe Tore am Laufmeter geschossen», erinnert sich Zverotic. «Doch irgendwie hat mich der Trainer einfach Position um Position zurückgeschoben, bis ich auf einmal in der Verteidigung spielte.» Dieser «Rückschritt auf Raten» erwies sich schlussendlich als Fortschritt – denn es stellte sich heraus, dass der junge Toggenburger als Verteidiger noch mehr Talent hatte als vor dem Tor.

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Im Alter von nur 16 Jahren debütierte Zverotic in der 1. Mannschaft des FC Wil, und manch’ Balljunge oder -mädchen dürfte ab diesem Zeitpunkt voller Träume zu ihm aufgeschaut haben. Das Talent blieb nicht lange unentdeckt – 2008 holte ihn Ciriaco Sforza nach Luzern, drei Jahre später folgte der Wechsel zu den Berner Young Boys. Elsad Zverotics Leben sollte sich aber schon während seiner Zeit beim FC Wil entscheidend ändern: An einem ganz normalen Tag im Jahr 2005, beim Pendeln in die Äbtestadt, stieg in Lichtensteig die damals 16-jährige Amela in den Zug. Daraus wurde eine Liebe, die bis heute hält – und die vieles aushalten muss. «Ich komme aus einer Fussballerfamilie», erzählt Amela Zverotic mit einem Augenzwinkern, «mein Vater war Fussballprofi im ehemaligen Jugoslawien. Daher wusste ich ganz genau, was auf mich zukommt, wenn ich mich auf einen Fussballer einlasse.»

Vor vollendete Tatsachen gestellt

Was das bedeutet, wird besonders in einer Episode klar: Nach Zverotics Wechsel zum BSC YB bezog das junge Paar seine erste gemeinsame Wohnung in der Region Bern. «Wir haben uns dort extrem wohlgefühlt; das Umfeld im Club war toll, wir haben viele wirklich gute Freundschaften geknüpft – und für uns war eigentlich klar, dass es immer so weitergehen kann.» Doch es kam anders: In praktisch letzter Sekunde des Transfersommers 2013 erfolgte der Wechsel zum FC Fulham. Von diesem Entscheid erfuhr Amela, die in der Zwischenzeit Frau Zverotic geworden war, wenn nicht gerade aus der Presse, dann doch erst am Morgen, als ihr Mann das Flugzeug nach London bestieg, um den Vertrag zu unterzeichnen.

Doch warum hat er seine Frau nicht eingeweiht? «Ich lasse die Katze meist erst dann aus dem Sack, wenn die Sache praktisch unter Dach und Fach ist. Sonst kann es Enttäuschungen geben, falls es doch nicht klappt.» Amela wirft scherzhaft ein: «Ich hätte durchaus sauer sein können. Aber ich war es nicht. In der Premier Leauge zu spielen, war schon immer Elsads Traum. Den wollte ich ihm ermöglichen. Und auch wenn uns der Abschied von Bern schwergefallen ist: In London zu wohnen, hat mich natürlich gereizt.»

«Es fühlte sich an, als würde ich im Ausland spielen.»

Elsad Zverotic, über den FC Sion

Nicht einmal ganz neun Monate dauerte der «Traum Premier League» für Elsad Zverotic – denn der FC Fulham musste im Mai 2014 den Abstieg in die Zweitklassigkeit hinnehmen. Doch andere neun Monate sollten für ihn eine viel grössere Bedeutung haben: Im Februar 2015 kam Söhnchen Almedin in London zur Welt, nur wenige Tage vor Zverotics Wechsel zum FC Sion. «Das war dann auch der Grund, warum ich um ein paar Tage verspätet im Wallis ankam.» Ein paar Wochen später folgte ihm seine kleine Familie, und das «Abenteuer FC Sion» unter Trainer Didier Tholot begann. Nicht das kleinere Abenteuer als London, und mindestens genau so exotisch, wie sich Zverotic schmunzelnd erinnert: «Es fühlte sich an, als würde ich im Ausland spielen. Wollte ich meine Familie im Toggenburg besuchen, so brauchte ich praktisch gleich lange, wie wenn ich aus London hergeflogen wäre. Und auch was Sprache und Mentalität angeht, könnte man sich als Ostschweizer durchaus im Ausland wähnen. Auch wenn die Leute dort sehr herzlich sind – man bleibt halt immer der ‹Üsserschwiizer›.»

Aarau als goldener Mittelweg

Nach der Entlassung von Didier Tholot hat Zverotic drei weitere Trainer kommen und gehen sehen, Sion-Präsident Christian Constantin nicht mit eingerechnet. Der nächste war dann einer zu viel: Unter Coach Gabri kam der Toggenburger nicht mehr zum Zug und wurde schliesslich aussortiert. Dass er nun in Aarau gelandet ist, ist kein Zufall. «Ich hatte mehrere Angebote, aus der Schweiz und dem Ausland. Für den FC Aarau habe ich mich entschieden, weil der Traditionsverein an der Schwelle zu einem neuen Kapitel steht. Damit meine ich das neue Stadion, das dem Verein wieder klare Zukunftsperspektiven bieten wird. Nicht zuletzt war Aarau aber der goldene Mittelweg.» Ein Mittelweg? «Ja, es liegt ziemlich genau in der Mitte zwischen dem Toggenburg, wo nach wie vor ein Grossteil unserer Familien lebt, und Bern, wo wir viele Freunde haben. Hier möchten wir Wurzeln schlagen, vielleicht ein Haus kaufen, unsere Kinder grossziehen.»

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Denn zu Almedin hat sich vor einem halben Jahr die kleine Elma gesellt. A wie Amela und Almedin, E wie Elsad und Elma. Die kleine Familie mit den symmetrischen Initialen hat sich in der Zwischenzeit ganz dem FC Aarau verschrieben, wie Amela erzählt: «Jetzt, wo es kühler wird, lasse ich Elma zwar zu Hause – aber Almedin bringe ich wohl auch bei minus 10 °C nicht davon ab, mich zu begleiten. Er schwenkt seine FCA-Fahne mit grosser Begeisterung und fiebert mit wie ein Grosser.» Wird auch Almedin einst ein Fussballer, wie sein Papa? «Ich hoffe nicht», scherzt Amela. «Wäre schön», meint Elsad.

«Wer es weit bringen will, muss Willenskraft und Durchhaltevermögen haben, er muss verzichten können.»

Elsad Zverotic, über das Leben als Fussballer

Elsad Zverotic ist ein Spieler mit Erfahrung. Er wurde denn auch nach Aarau geholt, um genau diese Erfahrung einzubringen, um Stabilität zu vermitteln und den jüngeren Spielern Halt zu bieten. «Ich unterstütze meine Teamkollegen, wo immer es geht. Es ist aber wichtig, dass jeder Einzelne versteht: Der Beruf ‹Fussballer› ist nicht einfach. Fussball ist nicht immer schön, er besteht nicht aus Instagram-Bildchen und Glitzerwelt, sondern aus harter Arbeit. Natürlich gehört auch ein Quäntchen Glück dazu. Doch wer es weit bringen will, muss Willenskraft und Durchhaltevermögen haben, er muss verzichten können.» Hätte er selber es zu mehr bringen können, wenn er noch mehr gegeben hätte? «Wer weiss», sinniert Zverotic, «ich bin zwar hart mit mir selber, gebe immer extrem viel – aber es ist immer noch mehr möglich.»

Darauf angesprochen, was seine Zukunftspläne sind, antwortet er: «Ich will mit dem FC Aarau in die Europa League, denn das wäre logisch.» Wie bitte? «Ich habe in meiner Profikarriere mit jeder Schweizer Mannschaft europäisch gespielt. Mit Luzern, YB und dem FC Sion – und damals sogar mit dem FC Wil, der 2004 gleichzeitig abstieg und Cupsieger wurde. Da wäre es nur logisch, wenn auch Aarau folgen würde. Auch wenn das natürlich auch nächste Saison noch nicht passieren wird.» Und was geschieht nach seiner Karriere als aktiver Fussballer? «Ich fange aktuell meine Trainerausbildung an. Ob ich später tatsächlich irgendwo an der Seitenlinie stehe, weiss ich heute noch nicht. Aber auf jeden Fall möchte ich dem Fussball mein Leben lang verbunden bleiben.»

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Dieser Artikel ist am 11. November 2018 in der Ausgabe Nr. 8 (Saison 2018/19) der Matchzeitung HEIMSPIEL gegen den FC Rapperswil-Jona erschienen.

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