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Im Interview spricht VR-Präsident Philipp Bonorand über die sportliche Ausgangslage in der Challenge League, den abgewiesenen Protest nach dem Becherwurf in Winterthur und eine mögliche Aufstockung der Super League.

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Der FC Aarau wird das letzte Viertel in dieser Challenge-League-Saison als Tabellenführer in Angriff nehmen. Wie beurteilst du die sportliche Ausgangslage vor der finalen Phase?

Patrick Haller

Es ist klar, dass wir die aktuelle Tabellensituation sowohl zu Beginn der Saison als auch in der Winterpause so unterschrieben hätten. Unabhängig von den drei letzten Spielen sind wir auf Kurs, um unser gestecktes Ziel zu erreichen. Natürlich ärgern mich solche Niederlagen – vor allem wenn man spürt, dass durchaus mehr möglich gewesen wäre. Allerdings müssen wir uns auch bewusst sein, dass der FC Aarau schon viele Jahre nicht mehr auf Rang 1 klassiert war und in dieser ausgeglichenen Liga niemand von Rückschlägen verschont bleiben wird.

Philipp Bonorand

Zuletzt mussten wir drei Mal als Verlierer vom Rasen. Inwiefern besteht da die Gefahr – auch aufgrund von Druck von aussen – in überstürzten Aktionismus zu verfallen?

Patrick Haller

Bei unserer Analyse vor dem Saisonstart waren sich alle Beteiligten – also die Vereinsführung, die sportliche Leitung und die 1. Mannschaft – einig, dass die Ränge 1 und 2 unter den gegebenen Umständen erreichbar sind. Entsprechend haben wir uns dieses ambitionierte Ziel gesetzt und es im Gegensatz zu anderen Klubs auch ehrlich und offen kommuniziert. Es hat aber nie jemand von uns gesagt und gedacht, dass dies einfach oder gar ein Selbstläufer werden wird. Wenn man sich immer nur leichte und von vornherein gesicherte Ziele vornimmt, holt man mit Bestimmtheit nie das Maximum heraus. Im Umkehrschluss heisst das aber nicht, dass wir nun den Aufstieg mit der Brechstange erzwingen wollen und nach Enttäuschungen sogleich alles über den Haufen werfen und infrage stellen, was wir seit rund zwei Jahren aufzubauen versuchen. Unsere Planung ist geprägt von Langfristigkeit, Konstanz und Nachhaltigkeit – mit dem Ziel in die Super League aufzusteigen. Aktuell bietet sich eine realistische Chance dafür…

Philipp Bonorand
«Der FC Winterthur hat dieses Spiel fair und verdient gewonnen. Deshalb verzichten wir auch auf einen Weiterzug an die nächste Instanz.»

Philipp Bonorand, zum abgewiesenen Protest

Wie geht man als Vereinsführung damit um, dass die Ligazugehörigkeit im Hinblick auf die neue Saison aller Voraussicht nach erst in rund zwei Monaten feststehen wird?

Patrick Haller

Wir sind es uns gewohnt, dass wir zweigleisig planen müssen. Bei den Lizenzunterlagen sind jeweils zwei Budgets einzureichen, auch die Grobstrategien und Vertragssituationen sind für beide Spielklassen geregelt. Natürlich kann es immer unbekannte Variablen geben, aber die allgemeinen Gegebenheiten werden sowieso nicht ändern, weil wir uns jetzt schon bemüht haben, unsere Strukturen so anzupassen, dass sie auch in der Super League funktionieren und wir mit den bestehenden Personen weiterarbeiten können. Im sportlichen Bereich halten Sandro Burki und Elsad Zverotic natürlich laufend die Augen nach potentiellen Verstärkungen offen. Da gäbe es in der Super League dann sicherlich die eine oder andere Möglichkeit, die sich in der Challenge League nicht realisieren lässt. Aktuell ist jedoch am wichtigsten, dass wir uns in jeder Hinsicht voll auf die laufende Saison konzentrieren, um sie erfolgreich abschliessen zu können.

Philipp Bonorand

Der FC Aarau stand zuletzt auch im medialen Fokus aufgrund des eingelegten Protests nach dem Bierbecherwurf in Winterthur. Wie blickst du auf diese Episode zurück?

Patrick Haller

Es ist eine Tatsache, dass der Schiedsrichter-Assistent von einem Becher getroffen und verletzt worden ist. Ebenso ist bekannt, dass vergleichbare Fälle im Ausland zu einem Spielabbruch geführt haben; auch das «Schweizer» Reglement erwähnt eine solche Situation explizit. Unsere sportliche Leitung hat diesen Protest deponiert, um den Vorfall der Swiss Football League zur weiteren Beurteilung zu übergeben. Leider ist die Disziplinarkommission nicht darauf eingetreten. Dies ärgert uns – nicht wegen des Ergebnisses, denn der Heimsieg geht sportlich in Ordnung. Winterthur hat dieses Spiel fair und verdient gewonnen. Deshalb verzichten wir auch auf einen Weiterzug an die nächste Instanz. Uns stört vielmehr, dass der Sachverhalt, welcher zum Entscheid geführt hat, nicht von allen Beteiligten korrekt wiedergegeben worden ist. Aus unserer Sicht steht ausser Frage, dass wir unsere Protestabsicht unmissverständlich und fristgerecht vor Wiederanpfiff kommuniziert haben.

Philipp Bonorand
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Assistent Pascal Hirzel erlitt eine Platzwunde nach einem Becherwurf

Kürzlich mussten die Lizenzunterlagen für die kommende Saison eingereicht werden…

Patrick Haller

Wir haben wieder die «Lizenz II» beantragt, welche zur Teilnahme an der Super League und der Challenge League berechtigt – wie in den vergangenen Jahren auch, als wir die Lizenz für beide Ligen stets in erster Instanz erhalten haben. Mir wäre aktuell kein Grund bekannt, wieso dies in diesem Jahr nun plötzlich anders sein sollte. Wir stehen finanziell auf gesunden Beinen, auch wenn wir im zweiten «Corona-Jahr» erneut einen Verlust ausweisen werden. Natürlich wissen wir, dass die Infrastruktur im Brügglifeld nicht mehr optimal ist, doch aus den Vorjahren ist bekannt, dass wir das Stadion wieder auf den Stand der letzten Super-League-Saison (2014/15) bringen müssen. Dazu gehören u.a. Anpassungen im Medienbereich und bei den Stadionsektoren sowie die Reinstallation der Drehkreuze. Zudem braucht es bauliche Ergänzungen rund um den «Video Assistant Referee» (VAR).

Philipp Bonorand

Generell wurden zuletzt immer wieder Investitionen im Brügglifeld getätigt. Wieso wird mit der Aussicht auf ein neues Stadion immer noch Geld in die bisherige Spielstätte gesteckt?

Patrick Haller

Wir haben uns im Rahmen der neuen Strategie auch für einen Philosophiewechsel in Bezug auf unsere Heimat entschieden. Früher war die Prämisse, dass möglichst nichts mehr investiert wird, weil wir nächstens in ein neues Stadion umziehen. Inzwischen ist aber nicht mehr wegzudiskutieren, dass wir noch einen Moment hier spielen werden und es sich deshalb lohnt, sich gleichwohl noch einmal näher mit dem Brügglifeld auseinanderzusetzen. So haben wir in der jüngeren Vergangenheit immer wieder Projekte umsetzen können, z.B. die Erneuerung der Garderoben, die Installation der LED-Banden und aktuell auch die Erweiterung der Büroräumlichkeiten verbunden mit einem neuen VIP-Raum. Dadurch wird das Brügglifeld aufgewertet, ohne dass wir viel Geld dafür ausgeben mussten.

Philipp Bonorand
«Es besteht ein breiter Konsens, dass die Super League auf (mindestens) zwölf Teams vergrössert werden soll.»

Philipp Bonorand, über die Modusfrage

Wie präsentiert sich der «Stand der Dinge» beim neuen Stadion im Torfeld Süd?

Patrick Haller

Bekanntlich wurden die Bau- und Nutzungsordnung (BNO) wie auch der Stadionkredit im Jahr 2019 durch die Stimmbevölkerung mit 60 Prozent angenommen. Gegen die BNO ist nun eine Gruppe aus der Nachbarschaft rechtlich vorgegangen. In einem Urteil des Aargauer Verwaltungsgerichts wird die Ansicht der Bauherrschaft eindeutig gestützt. Allerdings wurde das Urteil vor das Bundesgericht weitergezogen und so warten wir nun auf den Entscheid dieser Instanz. Es ist nicht abzuschätzen, wann dieses Urteil gefällt wird. Auch wenn der Stadionbau politisch entschieden worden ist und auch die Finanzen gesichert sind, werden wir sicherlich noch etwas Geduld brauchen, ehe wir in unsere neue Heimat im «Torfeld Süd» umziehen können.

Philipp Bonorand

Im Schweizer Fussball gibt es auch immer wiederkehrende Diskussionen über eine mögliche Aufstockung der Super League. Gibt es hier Neuigkeiten?

Patrick Haller

Man spürt einen frischen Wind bei der Swiss Football League. Die neue Ligaführung will dieses Thema nun wirklich angehen und holte aktiv die Meinungen und Vorstellungen bei allen zwanzig Clubs ab. Das ist schon einmal ein wichtiger Unterschied zu früheren Diskussionen. Es besteht ein breiter Konsens, dass die Super League auf (mindestens) zwölf Teams vergrössert werden soll. Aus Aarauer Sicht wäre dies natürlich eine Chance, um sich in der höchsten Spielklasse etablieren zu können. Weniger klar ist aktuell allerdings, wie es dann künftig mit der Challenge League weitergehen soll. Hier verbirgt sich auch eine gewisse Gefahr für Clubs wie den FC Aarau. Schlussendlich sind es nämlich weit mehr als zwölf Clubs, die das Potential für einen Platz in der Super League besitzen, und es wird auch künftig jedes Jahr sportliche Auf- und Absteiger zwischen den beiden Ligen geben. Eine weiterhin attraktive Challenge League erscheint uns deshalb ebenso wichtig. Im Optimalfall kann die Aufstockung der Super League schon in diesem Mai durch die Clubs der Swiss Football League beschlossen werden – mit einer Einführung auf die Saison 2023/24. Momentan geht die Tendenz klar in diese Richtung. Allerdings ist aufgrund der Erfahrungen aus vergangenen Jahren auch zu betonen, dass vor einer allfälligen Abstimmung noch viel passieren kann…

Philipp Bonorand
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