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Der FC Aarau ist in der Meisterschaft unter seinem neuen Cheftrainer Livio Bordoli auch nach sechs Spieltagen noch sieglos. Dieser äussert sich zur aktuellen Situation und seiner Familie im Tessin.

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Es gibt gewiss einfachere Aufgaben, als mit dem Tabellenletzten der Brack.ch Challenge League den Erwartungen des kommunizierten Wiederaufstiegs zu genügen. In dieser unangenehmen Rolle befindet sich vor dem Spiel gegen Neuchâtel Xamax FCS Livio Bordoli mit dem FC Aarau. Mehr noch: Bleibt das Team auch im siebten Spiel ohne Vollerfolg, wird die Lage äusserst ungemütlich.

Livio Bordoli hat sich gut eingelebt in seiner Wohnung in Buchs. «Die Region Aarau kannte ich bisher nicht, aber ich muss sagen, es ist sehr schön hier, alles liegt nahe beieinander und ist einfach zu erreichen», sagt der Fussballlehrer, der in seiner Karriere schon viele Stationen erlebt hat. Aufgewachsen im 250-Seelen-Dorf Vogorno im Verzascatal, ist er der einzige Coach, der schon alle professionellen und semiprofessionellen Tessiner Clubs trainiert hat. Er hebt die Hand und zählt die Stationen auswendig auf. Auch in der Deutschschweiz und in Deutschland war er als Spieler und Trainer bereits engagiert. Mit dem Tessin sei er sehr verbunden, der Norden habe aber einen wichtigen Vorteil: «Weil ich oft Fussballspiele besuche, sind die Distanzen von Aarau aus deutlich kürzer als aus dem Tessin.»

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Dann hat Livio Bordoli in Aarau ja alles, was er braucht? Nicht ganz, sagt er: «Seit unsere Tochter Evelyne in mein Leben getreten ist, bin ich völlig vernarrt in sie. Sie hat ein fröhliches Lächeln und erfüllt mein Leben mit Glück.» Seine Partnerin Mimosa und die dreijährige Tochter pendeln deshalb aus dem Tessin öfters hin und her, besuchen Papa während einigen Tagen in Aarau und verbringen dann wieder ein paar Tage in der Südschweiz. Livio ist als drittes von fünf Kindern auf die Welt gekommen, aber der Letzte, der sich in Sachen Familienplanung festlegen wollte.

«Ich bin schon viel ruhiger geworden seit der Geburt meiner Tochter Evelyne.»

Livio Bordoli, Familienvater

«Meine Geschwister – drei Brüder und eine Schwester – haben alle Familie. Dafür, dass ich in einem kinderreichen Umfeld aufgewachsen bin, war ich mit 49 tatsächlich etwas spät dran, um Vater zu werden.» Mit Mimosa ist er seit sechs Jahren zusammen, im Winter erwartet das Paar das zweite Kind. «Ich bin schon sehr viel ruhiger geworden», kommt Bordoli wieder auf Evelyne zu sprechen. «Mit einem eigenen Kind stellt man das ganze Leben in eine andere Relation. Die Arbeit, die Hobbys, das Verhältnis zur Partnerin und zu Freunden – alles verändert sich», philosophiert Livio.

Neben dem Familienleben und den Fussballspielen, die er besucht, verbringt Bordoli die trainings- und spielfreie Zeit mit … Fussball. „Es ist klar, dass man als Trainer immer auf dem Laufenden bleiben muss. Ich schaue internationale Spiele, aber auch in der Region finden spannende Partien statt.» So war der Tessiner jüngst am Kick-off-Anlass der Aargauer 2.-Liga-Meisterschaft in Gontenschwil anzutreffen. «Ein sehr unterhaltsames Spiel, schnell und mit vielen Torszenen», fasst er das 2:2 zwischen den Wynentalern und dem FC Eagles Aarau zusammen.

Vom Lebemann und Familienmensch

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Und wenn gar kein Fussball stattfindet, geht Bordoli gerne mal in die Stadt und setzt sich zum «Italiener». «Ich habe schon einige Pizzerias ausprobiert in Aarau, aber auch die Strassencafés sind sehr gemütlich.» Als er dies sagt, schweift sein Blick über den Schlossplatz zum Schlössli. «Ja, auch hier im ‚OscarOne’ ist es sehr gemütlich, sehr nette Leute, schöne Aussicht.» Wo es zu viele Leute hat und es eng ist, trifft man den Tessiner aber nicht oft an. Lieber ziehe er es vor, bei seiner Familie zu sein, mal bei einem Essen mit Freunden, mal ein Glas Wein zu geniessen.

Dieses Harmoniebedürfnis ist eine Tugend, die sich Bordoli in den letzten Jahren zugelegt hat. Davor galt er als Lebemann. Dieser Wandel im Leben hat Bordoli eine weitere wichtige Eigenschaft eingetragen: Er wirkt überlegt, sehr ruhig, seine Entscheidungen sind wohl bedacht. Wenn die Gedanken das kürzlich Erlebte streifen, kommt er unweigerlich auf den FC Aarau zu sprechen und die schwierige Situation, in der dieser steckt. «Es tut mir sehr leid für die Spieler, für die Fans und alle, die beim FCA arbeiten. Sie setzen sich ein, kommen an die Spiele und mussten bis jetzt immer enttäuscht nach Hause.»

«Natürlich, wir müssen weiterarbeiten, was bleibt uns anderes übrig?»

Livio Bordoli, Cheftrainer

Etwas stimme nicht und so könne es nicht weitergehen, sagt Bordoli nicht nur im Café am Schlossplatz, sondern auch den Journalisten, die ihn danach fragen. Die richtigen Worte zu finden fällt ihm aber schwer, vielmehr will er mit dem Team weiter Fortschritte machen und den Fans endlich einen Sieg schenken. «Natürlich, wir müssen weiterarbeiten, was bleibt uns anderes übrig?» Im Hinblick auf das heutige Spiel gegen Neuchâtel Xamax FCS setzt der Trainer eben auf diese Arbeit. Erst seit etwa zwei Wochen steht ihm der ganze Kader zur Verfügung. Bordoli will die Verantwortung nicht den Verletzungen und Abwesenheiten zuschieben, besonders hilfreich sei es aber nicht gewesen, wenn bei Taktikübungen ganze Mannschaftsteile fehlten.

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Warten auf ein Erfolgserlebnis

Die Ziele müssten revidiert werden, sagt Bordoli. War der kommunizierte sofortige Wiederaufstieg vielleicht verfrüht? «Nicht unbedingt», erklärt der Trainer. «Wir haben gute Spieler und ein gutes Teamgefüge. Aarau ist ein traditionsreicher Club, der durchaus einen Anspruch auf höher gesteckte Ziele haben darf.» Wie geht der Tessiner mit der Kritik und den Pfiffen der Fans um? «Mich schmerzen die Pfiffe, besonders tun mir die Spieler leid, wenn ich sehe, dass sie alles gegeben haben. Wenn man etwas kritisiert, ist die Perspektive nicht immer die gleiche: Ich sehe die Spieler jeden Tag, weiss um ihre Stimmungen, kann die Fortschritte erkennen. Die meisten Urteile werden aber aufgrund von 90 Spielminuten gefällt.»

Natürlich weiss auch Bordoli, dass man für gute Trainings keine Punkte bekommt. Er glaubt aber an seine Mannschaft, auch wenn er sich dabei nur wiederholen kann: «Wir brauchen ein Erfolgserlebnis. Der Knoten muss aufgehen. Wir müssen weiterarbeiten.» Bordoli will den Beweis aber nicht mir Worten erbringen, sondern auf dem Platz. Vielleicht geht der Knopf ausgerechnet heute auf. Das wäre für den Trainer wie ein Geschenk – er feiert heute nämlich seinen 52. Geburtstag, und wir würden uns nichts mehr wünschen, als Livio Bordoli heute zweimal gratulieren zu dürfen.

Matchzeitung Nr. 4 (2015/16) lesen

Dieser Artikel ist am 31. August 2015 in der Ausgabe Nr. 4 (Saison 2015/16) der Matchzeitung HEIMSPIEL gegen Neuchâtel Xamax FCS erschienen.

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