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Im Interview spricht Abwehrspieler Giuseppe Leo über seine Entdeckung in der Kinderkrippe, einen Anruf bei Bayern München und seinen Hund «Charly».

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«Gestern wäre ein Sieg möglich gewesen!» Auch einen Tag nach der Niederlage im Helvetia Schweizer Cup gegen Neuchâtel Xamax, als das Gespräch mit Giuseppe Leo stattfindet, ist der Frust noch deutlich zu spüren. Gerne erinnert er sich jedoch an die Fans, «die auch nach dem Match noch zu uns standen und erkannten, dass wir uns gegen diese Sch… stemmen». Er sei zufrieden, dass das Team Charakter zeige, aber am Ende zählten eben nur die Punkte beziehungsweise im Cup das Weiterkommen, so Leo, dessen fussballerische Laufbahn bislang frei von einem solchen Negativlauf war, wie ihn der FC Aarau momentan durchleben muss.

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Entdeckt worden war Leos Talent bereits in der Kinderkrippe. Eines Tages wurde seine Mutter ins Büro der Krippenleiterin bestellt, wo ihr Folgendes nahegelegt wurde: «Tun Sie mir den Gefallen und bringen Sie den Jungen so schnell wie möglich zum Fussball!» Und so kam es, dass Leo schon als Vierjähriger beim lokalen Verein SV Olympiadorf Concordia mitkickte. Damals bereits gross gewachsen, spielte er jeweils bei den älteren Kindern. Zwei Jahre später nahm seine junge Karriere wieder eine kuriose Wendung: Bei einem Juniorenturnier musste die Mutter entsetzt mitansehen, wie die jungen Fussballer in der Sommerhitze nach einer Niederlage vom eigenen Trainer angeschrien wurden.

«Ich habe ihr sehr viel zu verdanken.»

Giuseppe Leo, über seine Mutter

Also entschloss sie sich, eine neue Lösung für ihren Sohn zu finden. Ohne eine grosse Ahnung vom Business zu haben, gelangte sie telefonisch an den FC Bayern München, wo Leo – selbst Fan des deutschen Rekordmeisters – im Alter von sieben Jahren im Probetraining überzeugte. Insgesamt sollte er 13 Jahre bei den Münchnern bleiben, dank eines beherzten Anrufs seiner Mutter. Als Kind trainierte er bereits viermal in der Woche, immer 20 Kilometer von der Mutter durch die Stadt gefahren. «Ich habe ihr sehr viel zu verdanken», weiss Leo, dessen Vater früh starb. Als Sohn italienischer Eltern wuchs Leo als Einzelkind bei seiner Mutter auf. Seinen Nachnamen hat er – wie in Süditalien üblich – vom Grossvater väterlicherseits übernommen.

Enormer Leistungsdruck im Bayern-Nachwuchs

Ab der fünften Klasse wurde Leo in die Sportschule von Bayern München aufgenommen. «Im Internat wurde man schnell deutsch», lacht Leo, der sich aber auch die emotionalen Charakterzüge seiner süditalienischen Vorfahren bewahrt hat. Im Bayern-Nachwuchs verliess er das Haus täglich schon um sechs Uhr morgens, um erst nach 21 Uhr zurückzukehren. Sportschule, Mittagessen, Trainingszentrum – immer wieder, jeden Tag. Dabei herrschte ein enormer Leistungsdruck: «Jedes Jahr wurden in allen Mannschaften mehrere Kinder aussortiert. Da sind öfters Tränen geflossen», erzählt Leo, der dadurch auch nach jeder Saison wieder Schulkameraden und Freunde aus den Augen verlor.

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Eine klare Haltung hat er zu diesem strengen, entbehrungsreichen Tagesprogramm. «Viele Leute sehen nur das schöne Leben oder das Geld grosser Fussballstars. Wie viel dafür seit Kindesbeinen an investiert wird und wie wenige den Sprung in den bezahlten Fussball schliesslich schaffen, wird oft ausgeblendet.» Bestes Beispiel ist der «Bayern-Jahrgang» von Giuseppe Leo, wo es trotz jahrelanger Förderung nur noch Mittelfeldspieler Julian Green (Greuther Fürth) zum Profi geschafft hat, während die früheren Teamkollegen in der bajuwarischen Provinz zwischen Burghausen und Pipinsried kicken.

«Diese Verletzung hat mich weit nach hinten geworfen.»

Giuseppe Leo, über seinen Kreuzbandriss

Nach Beendigung der obligatorischen Schulzeit wollte Leo sein Abitur im Fernstudium machen, «doch die Bücher dazu liegen wohl noch immer bei meiner Mutter». So setzte er voll auf die Karte Fussball bei der Reserveauswahl von Bayern München. Wie fragil das Fussballerleben sein kann, erlebte Leo vor vier Jahren dann am eigenen Leib. Im Training erlitt er bei einem Zweikampf einen Kreuzbandriss. «Diese Verletzung hat mich weit nach hinten geworfen», erinnert sich Leo. Erst nach sieben Monaten kehrte er zurück auf den Platz und entschloss sich – trotz eines laufenden Vertrages – zu einem Wechsel nach Ingolstadt, um möglichst viel Spielzeit zu erhalten. Dort bestritt Leo über 50 Einsätze in der 2. Mannschaft (Regionalliga Bayern), während er vorwiegend mit den Profis trainierte.

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Zu einem Einsatz in der Bundesliga kam es allerdings nicht. «In Ingolstadt herrschte permanenter Abstiegskampf, jeder Punkt war enorm wichtig. In dieser Umgebung ist es schwierig für junge Spieler, zu Einsatzzeit zu kommen. Und als Innenverteidiger war es nochmals schwieriger», weiss Leo. Nach Ablauf der zwei Jahre fand Leo eine neue Herausforderung beim Karlsruher SC in der 3. Liga. Er verpflichtete sich für ein Jahr beim süddeutschen Traditionsverein, wo er zwar 17 Pflichtspiele absolvierte, aber nur drei Partien in der 1. Mannschaft. Der Grund ist rasch gefunden: Kurz nach Leos Verpflichtung startete eine rekordverdächtige Serie mit 21 Spielen ohne Niederlage, sodass der Trainer an den bewährten Kräften in der stabilen Abwehr festhielt. Leos Fazit: «Ein tolles Jahr für den KSC, für mich persönlich jedoch nicht.»

«Mir haben die Ausrichtung und auch die Mentalität gefallen.»

Giuseppe Leo, über seinen Wechsel nach Aarau

Damit kam die Anfrage aus Aarau zum richtigen Zeitpunkt. Cheftrainer Patrick Rahmen beobachtete Leo an einem Spiel des Karlsruher SC. Es folgten ein Gespräch mit Sportchef Sandro Burki und die definitive Entscheidung für einen Zweijahresvertrag in Aarau. «Mir haben die Ausrichtung und auch die Mentalität gefallen», so Leo, «und ich finde es trotz der schwierigen Situation immer noch schön, hier zu sein.» Auch den Kulturschock im altehrwürdigen Brügglifeld hat er schnell überwunden: «Wir haben hier alles, was wir brauchen. Nur in der Kabine habe ich mich extra neben die Heizung gesetzt, um im Winter gewappnet zu sein …» In Aarau kam Leo bisher in acht von neun Partien zum Einsatz und spielte zuletzt auch als Aussenverteidiger. «Dort habe ich mehr Aktionen nach vorne, muss aber auch mehr laufen», lacht Leo, «aber wenn mich der Trainer braucht, würde ich zur Not auch ins Tor gehen.»

Auch neben dem Platz hat sich Leo gut eingelebt. Zusammen mit Freundin Sabrina wohnt er in einer schönen Neubauwohnung in Unterentfelden – nur wenige Autominuten vom Brügglifeld entfernt; seit vier Jahren sind sie miteinander liiert. Wenn immer möglich ist Sabrina «live» vor Ort. Die 23-jährige gelernte Bankkauffrau arbeitet als Model und ist dadurch beruflich häufig im Ausland unterwegs. Als Model erlangte sie im vergangenen Jahr internationale Bekanntheit, als sie es in Heidi Klums TV-Show «Germany’s Next Topmodel» unter die Top 30 schaffte und sich so einem Millionenpublikum präsentieren konnte.

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Auch Leos Hund Charly ist ein treuer Wegbegleiter. Einst hatte er ihn als kleinen Welpen zu seinem 17. Geburtstag von seiner Mutter geschenkt erhalten. «Zuvor hatte ich sie jahrelang mit diesem Wunsch zur Weissglut getrieben, aber aufgrund ihrer Berufstätigkeit in einem Münchner Restaurant hatte sie einfach zu wenig Zeit», so Leo, dessen Wunsch – als er alt genug war, um dem Hund selbst zu schauen – doch noch erfüllt wurde.

In der Freizeit sieht sich Leo seine neue Heimat an, oftmals auch in Begleitung von Teamkollegen. Und so wird das Ende eines sympathischen Gesprächs schliesslich mit dem nächsten Besuch «eingeläutet», denn Steven Deana und Norman Peyretti haben sich angekündigt, um einen gemeinsamen Nachmittag in Zürich zu verbringen.

Matchzeitung Nr. 5 (2018/19) lesen

Dieser Artikel ist am 25. September 2018 in der Ausgabe Nr. 5 (Saison 2018/19) der Matchzeitung HEIMSPIEL gegen den FC Schaffhausen erschienen.

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