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Unser Winter-Neuzugang Zoran Josipovic spricht über den Einbruch in die Juve-Küche, seine fussballerische Identitätskrise und wen er «meinen Pitbull» nennt.

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Über Krieg und Politik in Bosnien und Herzegowina, dem Heimatland seiner Eltern, mag Zoran Josipovic nicht sprechen. Deshalb steigen wir im Gespräch direkt bei seiner Geburt 1995 in Mendrisio ein. Hier, am untersten Zipfel der Schweiz, schlugen Petar und Mara Josipovic ein neues Kapitel ihres Lebens auf. Mit dem damals fast zehnjährigen Sohn Luca und Nachzügler Zoran versuchten sie sich in der Schweiz eine Lebensgrundlage zu schaffen. Das gestaltete sich zunächst schwierig: «Bis sie richtig Fuss gefasst hatten, schickten sie meinen Bruder und mich zu den beiden Grossmüttern in Bosnien und Herzegowina. Allerdings war ich damals zu klein, um mich an diese Zeit zu erinnern.» Als Zoran zwei Jahre alt war, kehrten die beiden Söhne ins Tessin zurück – genauer gesagt, nach Paradiso, einem Vorort von Lugano.

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Erfrischung im Trainingsalltag

Vier Jahre später fand Zoran zum Fussball: Beim FC Lugano durchlief er die ersten Juniorenstufen, bis er mit 13 Jahren ins Team Ticino aufgenommen wurde. Dann ging plötzlich alles ganz schnell: 2011 erlangte Zoran die Schweizer Staatsbürgerschaft und debütierte im Mai mit der Schweizer U16. Fast gleichzeitig klopfte Juventus Turin an seine Tür. Im Sommer, noch vor seinem 16. Geburtstag, zog der junge Fussballer allein ins Piemont.

«Ich habe sämtliches Geld vom ersten Lohn bei Juventus Turin für Kleider verprasst.»

Zoran Josipovic, jugendlicher Leichtsinn

Dort ging er bei der «Alten Dame» – wie der populärste italienische Verein bezeichnet wird – in eine harte Lebensschule: «Ich musste rasch erwachsen werden. Dazu gehörte auch, richtig mit Geld umzugehen. Das lernte ich allerdings schnell: In Turin angekommen, habe ich zuallererst sämtliches Geld für Kleider verprasst – und mich am nächsten Tag gefragt, wovon ich nun für den Rest des Monats leben soll», lacht Josipovic rückblickend. Doch nicht nur beim Geld musste sich der junge Fussballer in Verzicht üben: «Die Nachwuchsabteilung von Juventus Turin begleitete uns sehr eng. Dazu gehörte auch ein strikter Ernährungsplan – inklusive nachts abgeschlossener Küche. Es kam nicht selten vor, dass ich vor lauter Hunger kaum schlafen konnte, und meine Kollegen und ich sind mehr als einmal in die Küche eingebrochen», beichtet der 20-Jährige schmunzelnd.

Unglückliches Super-League-Debüt

Der Vertrag mit Juventus Turin läuft noch bis 2017. Wie bei Vereinen üblich, die junge Nachwuchstalente «auf Vorrat» verpflichten, wurde Zoran Josipovic seither diverse Male ausgeliehen – nach Novara, nach Lugano und zuletzt nach Aarau. So abwechslungsreich wie seine bisherigen Vereinsstationen ist sein «Einsatzgebiet» auf dem Rasen. «Als Junior in Lugano setzte mich der Trainer vorerst als Linksaus­sen ein. Da ich innert kürzester Zeit drei Tore schoss und es gleichzeitig ein Überangebot an Mittelfeldspielern gab, wurde ich schliesslich als Stürmer eingesetzt und fühlte mich auf dieser Position sofort zu Hause.» Einige Jahre später sollte das Ganze an gleicher Wirkungsstätte genau andersrum laufen. Doch dazu später mehr.

Die Ausleihe nach Lugano im Sommer 2014 bedeutete für den jungen Spieler einerseits die Rückkehr zu seiner Familie, brachte allerdings auch Unbill mit sich. Gleich im ersten Training brach er sich den Mittelfuss und konnte rund zehn Wochen lang nicht spielen. «Das war eine sehr schwierige Zeit für mich. Die Mannschaft hatte sich bis zu meiner Genesung bereits geformt; ich fand in dieser Saison den Anschluss nicht mehr richtig und kam kaum mehr zu Einsätzen.» Nach dem Aufstieg trennte sich Lugano bekanntlich von Livio Bordoli. Dessen Nachfolger Zdenek Zeman erkannte Josipovics Potenzial, und prompt lieferte dieser hervorragende Leistungen in der Saisonvorbereitung ab.

«Das war ein absoluter Tiefpunkt.»

Zoran Josipovic, Debütant mit Ampelkarte

Doch die Saison startete für ihn ähnlich schlecht wie jene zuvor: Bei seinem Super-League-Einstand im Spiel gegen St. Gallen hatte Josipovic 20 Sekunden nach seiner Einwechslung eine klare Torchance auf dem Fuss – und vergab sie kläglich. Und eine Viertelstunde später wurde der übermotivierte Debütant vom Schiedsrichter mit der Ampelkarte bereits wieder des Feldes verwiesen. «Das war ein absoluter Tiefpunkt in meiner Karriere», erzählt Josipovic. Als ob dies nicht schon genug gewesen wäre, bekam der junge Spieler auch noch die Wut der Fans zu spüren: «Wenige Tage nach diesem Match ass ich in einem Ausflugsrestaurant zu Mittag und hörte, wie sich einige Fans am Nebentisch – sie hatten mich nicht bemerkt – lautstark und mit nicht druckreifen Ausdrücken über mich beschwerten. So etwas musst du auch erstmal verdauen.»

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Aufwärmen vor dem Lausanne-Spiel mit Daniele Romano.

Ebenfalls verdauen musste der Stürmer, dass er plötzlich zum Verteidiger wurde. Wie denn das? «Zeman liess uns elf gegen elf trainieren – und ich wurde aus irgendeinem Grund defensiv aufgestellt. Vielleicht hat es mit meiner Körpergrösse zu tun. Dabei habe ich offenbar so überzeugt, dass ich die ganze Woche lang als Innenverteidiger trainiert wurde. Dennoch wurde ich im nächsten Spiel gegen Vaduz als Stürmer eingesetzt und schoss zehn Minuten nach meiner Einwechslung das Tor zum 1:0-Endstand. Worauf mich der Trainer für meine gute Verteidigungsarbeit gelobt hat…»

«Auf dieser Position fühlte ich mich unwohl.»

Zoran Josipovic, Aushilfsverteidiger

So wurde er in den Cupspielen gegen die AS Castello und die AC Bellinzona prompt als Innenverteidiger eingesetzt. «Der Trainer fand zwar, dass ich meine Sache gut mache – ich hingegen fühle mich auf dieser Position einfach unwohl. Als Spieler bekommt man so etwas wie eine ‹Identitätskrise›, wenn man ständig auf der falschen Position trainiert. Ich bin deshalb froh, dass mich Aarau als Stürmer verpflichtet hat», lacht Josipovic.

Profitiert von Mutters Kochtipps

Seine Freizeit verbringt der junge Spieler gern gemütlich. Dazu gehört auch, dass etwas Gutes auf den Tisch kommt. «Meine Mutter war vor ein paar Wochen hier und hat mir das Kochen beigebracht. Dank ihr kann ich jetzt viel mehr als nur Toastbrot zubereiten», lacht Josipovic. Seine Yvonne, mit der er schon seit fünf Jahren verlobt ist, lebt in Lugano. Einen Hochzeitstermin gibt es indes noch nicht: «Um ernsthafte Pläne für unsere Zukunft zu machen, fehlt momentan noch die Stabilität. Hierfür ist die aktuelle Situation mit den häufigen Leihgeschäften natürlich nicht förderlich.»

Die Beziehung trotz der räumlichen Distanz aufzulösen, kommt aber nicht in Frage: «Erstens ist unsere Liebe dafür viel zu stark, und zweitens würde sie mich gar nicht gehen lassen», so Josipovic. «Ich nenne Yvonne deshalb auch gern meinen ‹Pitbull› – sie hat mich gepackt und lässt mich nicht mehr los.»

Matchzeitung Nr. 16 (2015/16) lesen

Dieser Artikel ist am 10. April 2016 in der Ausgabe Nr. 16 (Saison 2015/16) der Matchzeitung HEIMSPIEL gegen den FC Winterthur erschienen.

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