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Unter den blühenden Kirschbäumen im Stadion Brügglifeld erzählt Aaraus Torhüter Djordje Nikolic von seinen ersten Schritten im Profifussball.

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Im Alter von 17 Jahren sein vertrautes Umfeld zu verlassen, erfordert Mut und Selbstvertrauen. Djordje Nikolic war auf wenig Verständnis gestossen, als er als Gymnasiast und Spieler in der Juniorenabteilung von Partizan Belgrad seiner Heimatstadt den Rücken kehrte und die Chance wahrnahm, beim FK Jagodina in der 1. Mannschaft mittun zu können. In der 150 Kilometer südöstlich von Belgrad gelegenen Stadt Jagodina war Djordje auf sich alleine gestellt und lernte bald, auf eigenen Füssen zu stehen. Mittels Fernstudium konnte er den Schulabschluss realisieren. Gab es für ihn einen Plan B, sollte sich der Wunsch, Fussballprofi zu werden, nicht erfüllen? «Ich weiss nicht, wie sonst mein beruflicher Weg ausgesehen hätte. Meine Eltern hatten beide Wirtschaft studiert, aber das kam für mich nicht in Frage.»

«Ich sagte zu meinem Berater: Mach alles, damit ich dorthin gehen kann!»

Djordje Nikolic, über seinen Wechsel zu Basel

Bei seinem neuen Verein kam er schon bald zu ersten Einsätzen in der serbischen SuperLiga. «Nicht viele Goalies erhalten bereits so früh die Chance, auf diesem Niveau zu spielen. Für mich war es unglaublich, gegen so grosse Mannschaften wie Partizan oder Roter Stern Belgrad auf dem Feld stehen zu dürfen.» Sein Ausbildungsverein Partizan bekundete Interesse, den grossgewachsenen Torhüter («Ich war schon mit 16 Jahren 1 Meter 95») zurückzuholen. Auch die Scouts von Ajax Amsterdam hatten das Talent auf dem Radar.

Eine Verletzung sorgte jedoch dafür, dass Nikolic tatenlos mitansehen musste, wie seine Mannschaft den Ligaerhalt verpasste. Trotzdem signalisierte der FC Basel Interesse an der Verpflichtung des inzwischen 19-jährigen Nachwuchsinternationalen. «Ich sagte zu meinem Berater: Mach alles, damit ich dorthin gehen kann! Ich fühlte mich bereit, den Schritt ins Ausland zu wagen. Die Chance, zu diesem Verein zu wechseln, der in der Champions League so oft für Aufsehen gesorgt hatte, wollte ich unbedingt wahrnehmen.»

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Aller Anfang ist schwer. Das galt auch für die erste Zeit in der Schweiz. «Es war eine Herausforderung, sich an das neue Land zu gewöhnen, zu verstehen, wie alles funktioniert. Die Sprache, die mir nicht vertraut war … Beim FC Basel wurde aber alles unternommen, um mir zu helfen.» Mit Torhütertrainer Massimo Colomba verstand er sich auf Anhieb sehr gut: «Ich habe enorm viel von ihm gelernt, er pushte mich jeden Tag. Die Intensität in den Trainings war deutlich höher, als ich es gewohnt war.» Mit einem Vierjahresvertrag ausgestattet, sollte Djordje Nikolic beim FCB behutsam aufgebaut werden.

Geglücktes Debüt in der Super League

An Stammtorhüter Tomas Vaclik gab es kein Vorbeikommen, aber auch von ihm konnte er viel profitieren. Schliesslich bot sich dem Serben doch noch die Möglichkeit, im Schweizer Fussball erstmals auf der grossen Bühne sein Können zu zeigen. Am 1. April 2017 durfte Nikolic den verletzten Vaclik beim Auswärtsspiel gegen den FC St. Gallen vertreten. «Für mich ging ein Traum in Erfüllung. Natürlich wollte ich allen zeigen, dass ich meine Qualitäten habe.» Der Einstand gelang nach Mass. Vor über 18 000 Zuschauern im kybunpark blieb der junge Goalie beim 3:0-Sieg ohne Gegentreffer.

Es sollte der bislang einzige Einsatz Nikolics im Dress des damaligen Serienmeisters bleiben. Nach der ersten Saison in Basel suchte der Verein nach einer Lösung, um seinem Torhüter Spielpraxis zu ermöglichen. So nahm FCB-Kaderplaner Remo Gaugler Kontakt auf mit Murat Yakin. Der leihweise Wechsel zum FC Schaffhausen ging über die Bühne und Djordje Nikolic hatte seinen Anteil am sensationellen Saisonstart der Munotstädter mit sechs Siegen aus den ersten sechs Spielen, was Yakin zur Anstellung beim Grasshopper Club verhalf und Nikolic in der Winterpause die Auszeichnung zum besten Torhüter der Brack.ch Challenge League bescherte.

«Es war eine schwierige, aber auch sehr lehrreiche Zeit für mich.»

Djordje Nikolic, über seine Zeit in Thun

Nach diesem halben Jahr bot sich Nikolic die Gelegenheit, sein Können wieder in der Super League, beim FC Thun, zu zeigen. «Guillaume Faivre war zu Beginn der Rückrunde verletzt. Nach einem optimalen Start, als wir auswärts gegen den FC Zürich gewannen, verloren wir fünf Spiele in Serie. Der Trainer versuchte alles, um Gegensteuer zu geben, tauschte die ganze Abwehrreihe aus und nahm dann auch noch einen Wechsel auf der Torhüterposition vor», erinnert sich Nikolic. Die Massnahme von Thuns Coach Marc Schneider hatte insofern Erfolg, alsdass sich das abstiegsbedrohte Team, mit Faivre zwischen den Pfosten, auffing und den Ligaerhalt schliesslich doch noch souverän schaffte. «Es war eine schwierige, aber auch sehr lehrreiche Zeit für mich in Thun.»

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Innert kürzester Zeit hat Djordje Nikolic Deutsch gelernt. «In Basel bot mir der Verein an, einen Sprachunterricht zu besuchen. Wenn ich schon nicht spielen konnte, so wollte ich wenigstens auf diesem Weg zeigen, dass ich mich verbessern will. Beim FCB wurde aber praktisch nur Englisch gesprochen. Erst bei Schaffhausen und Thun konnte ich davon profitieren, dass in den Trainings auf Deutsch kommuniziert wurde. Aber der Dialekt, den sie in Thun sprechen, das war schon ziemlich schwierig zu verstehen», erinnert sich Nikolic mit einem Lachen.

In Thun ohne unmittelbare Aussicht auf weitere Einsätze – da kam die Anfrage des FC Aarau, der auf die Handverletzung von Steven Deana reagieren musste, kurz nach Beginn der Saison 2018/19 gerade recht. «Ich wusste, dass viel Qualität in diesem Team steckt. Aber die ersten Wochen waren aufreibend. Die Spieler hatten nach den völlig missratenen ersten Spielen kein Selbstvertrauen mehr. Und hinten war gefühlt jeder gegnerische Schuss ein Treffer. Es war aber eindrücklich, wie wir uns als Mannschaft aufrafften und das Glück wieder auf unsere Seite zwangen.»

«Hauptsache, viel Fleisch»

Beim FC Aarau fühlt sich Nikolic, der eine Wohnung in Unterentfelden bezogen hat, ausgesprochen wohl. Er lobt den sehr guten Teamgeist und schätzt es, sich mit Damir Mehidic, Petar Misic, Goran Karanovic und Elsad Zverotic in der Muttersprache unterhalten zu können. Mit ihnen verbringt er oft die Freizeit und bekocht sie auch mal mit serbischen Spezialitäten. «Hauptsache, viel Fleisch», antwortet der sympathische junge Mann, der letzten Monat seinen 22. Geburtstag feiern durfte, auf die Frage, was da jeweils auf den Tisch komme.

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Nikolic liebt es, im Brügglifeld auflaufen zu können. «Gegen Winterthur vor fast 4000 Zuschauern zu spielen, war Freude pur und die Stimmung fühlte sich nach viel mehr Leuten an.» Häufiger Tribünengast ist auch sein Förderer Colomba (FCA-Torhüter von 2002 bis 2008), mit dem er regelmässig in Kontakt steht. «Massimos Treffer für den FC Aarau habe ich auf Youtube gesehen», spricht Nikolic das legendäre Auskicktor Colombas zum 1:0-Sieg gegen St. Gallen vor 16 Jahren an. Auch seine Eltern und die elf Jahre ältere Schwester Ana («Sie ist meine wichtigste Bezugsperson») geben «Djole», wie er von seinen Kollegen genannt wird, viel Halt und waren schon einige Male aus Belgrad nach Aarau gereist, um ihn bei den Spielen zu unterstüzen.

Der Traum des Aarauer Schlussmanns, der noch für eine Spielzeit beim FC Basel unter Vertrag steht, ist die deutsche Bundesliga. Doch vorerst gilt seine volle Konzentration dem Saisonfinale in der Challenge League. Und danach? «Seit ich in der Schweiz bin, verbringe ich hier meine bisher schönste Zeit. Der ganze Verein ist wie eine grosse Familie. Ich kann mir sehr gut vorstellen, beim FC Aarau zu bleiben, wenn sich alle Parteien darauf einigen können. Am liebsten natürlich als Super-League-Torhüter!»

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Dieser Artikel ist am 4. Mai 2019 in der Ausgabe Nr. 17 (Saison 2018/19) der Matchzeitung HEIMSPIEL gegen den FC Lausanne-Sport erschienen.

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