Bild zu diesem Beitrag
Veröffentlicht am
von
Autor

Unser Verteidiger Noël Wetz stand im Rahmen eines Schulprojekts Red und Antwort - auch «HEIMSPIEL» erfuhr so viel Neues über das Leben des Berners.

WerbungWerbemittel: Rectangle (300 x 250) von FC AarauSchalten Sie Ihre Werbung auf dieser Seite.

Mittwochnachmittag, 15.00 Uhr im Stadion Brügglifeld. Raoul und Malik, zwei Sechstklässler aus Windisch, sitzen mit Noël Wetz in der Adlerstube. Das Mikrofon aufgebaut und die Notizen bereit. Geduldig beantwortet Noël eine Frage nach der anderen, versucht mit einem lockeren Spruch den Schülern die Nervosität zu nehmen und schmunzelt, wenn sie von «Du» plötzlich wieder ins Siezen zurückfallen. Dass sich Noël für die zwei Jungen Zeit nimmt, ist für ihn eine Selbstverständlichkeit. «Ich hatte früher leider nie die Gelegenheit, einen Fussballprofi zu treffen, ein Trikot oder ein Souvenir zu ergattern. Ich freue mich, wenn ich angesprochen werde. Ich mag die Begegnungen mit Menschen und nehme mir gerne Zeit dafür.» Man merkt schnell, Noël macht gerne andere Menschen glücklich, und für die Jungen möchte er ein Vorbild sein.

«Ich habe das Gefühl, die Menschen dort haben mir mehr gegeben als ich ihnen. Es war eine unglaublich schöne und prägende Zeit.»

Noël Wetz, über sein Praktikum als Fachmann Betreuung

Nach dem 10. Schuljahr absolvierte der Berner Oberländer mit nigerianischen Wurzeln ein einjähriges Praktikum als Fachmann Betreuung. Noël lernte in der SILEA «Stiftung für integriertes Leben und Arbeiten», was es heisst, mit Menschen mit Beeinträchtigungen zu arbeiten und diese zu unterstützen. Eine Zeit, die ihn lehrte, die kleinen Dinge im Leben zu schätzen und Menschen so anzunehmen, wie sie sind. Frei von Vorurteilen oder Berührungsängsten. Und es war auch eine Zeit voller emotionaler und ehrlicher Begegnungen. «Ich habe das Gefühl, die Menschen dort haben mir mehr gegeben als ich ihnen. Es war eine unglaublich schöne und prägende Zeit.» Noël zeigte seine Dankbarkeit wiederum, indem er für die Bewohner einen Ausflug in die Stockhorn Arena, das Stadion des FC Thun, organisierte. Es wurde viel gelacht, gekickt und bleibende Erinnerungen geschaffen.

Bild zu diesem Beitrag

Noël wollte einen Beruf im Gesundheitswesen erlernen, doch eine solche Ausbildung lässt sich nicht mit den Trainingszeiten seiner anderen Passion, dem Fussball, verbinden. Also entschied er sich für eine kaufmännische Lehre beim Kanton Bern. Morgens Büro, nachmittags Challenge League. Nächstens beginnt er ein Fernstudium der Betriebswirtschaft HF.

Ausbildung auf mehreren Positionen

Aufgewachsen ist Noël in der Nähe von Thun mit der Mutter aus der Schweiz und dem Vater aus Nigeria. Vor drei Jahren kam sein kleiner Bruder zur Welt. Auch ihm möchte Noël einmal ein Vorbild sein. Selber tut sich Noël mit der Frage nach Vorbildern oder Idolen schwer: «Vielleicht Cristiano Ronaldo, was die Disziplin und die Arbeitsmoral betrifft. Wenn es um die Kreativität geht, mag ich Paul Pogba als Charaktertyp, und was das Abwehrverhalten anbelangt, bewundere ich, wie sich Innenverteidiger Presnel Kimpembe mit seiner Bissigkeit immer voll ins Spiel gibt.»

Fussball begleitete ihn schon von klein auf. Im Alter von elf Jahren wechselte Noël in den Nachwuchs der Thuner. «Zum Glück haben sie mir nicht übel genommen, dass ich eigentlich Fan der Berner Young Boys bin», schmunzelt er. Er durchlief bei Thun alle Altersstufen, spielte bis zur U16 unterschiedlichste Positionen, wobei sich dann das Talent als Rechtsverteidiger immer mehr herauskristallisierte. Noël entwickelte sich zum U-Nationalspieler.

«Bei meinem Debüt wartete ich den ganzen Tag auf die Nervosität, doch sie kam einfach nicht. Erst nach einigen Monaten dann, in den Ferien, realisierte ich, was für einen Meilenstein ich geschafft habe.»

Noël Wetz, über seine Premiere

Die verschiedenen Spielpositionen während der Juniorenausbildung helfen ihm heute noch, einen guten Blick für das Spiel zu haben, wie er sagt. Weiter zeichnen ihn seine gute Physis und seine Schnelligkeit aus. Zwei Attribute, die ihm auch Sportchef Sandro Burki attestiert und ergänzt: «Physisch ist Noël sicher einer der Besten im Team.» Zudem ist Noël in seiner Karriere praktisch verletzungsfrei geblieben. Keine Selbstverständlichkeit.

Als Profi beim FC Thun debütierte Noël im Oktober 2020 auswärts gegen den FC Chiasso und spielte gleich den ganzen Match durch. Thun gewann 2:0. Danach folgte ein Einsatz nach dem anderen, immer in der Startelf. «Bei meinem Debüt wartete ich den ganzen Tag auf die Nervosität, doch sie kam einfach nicht. Selbst auf der Heimfahrt von Chiasso fühlte sich alles noch etwas surreal an. Erst nach einigen Monaten dann, in den Ferien, realisierte ich, was für einen Meilenstein ich geschafft habe.» In spezieller Erinnerung blieb ihm das Barragespiel gegen den FC Sion. Mit Guillaume Hoarau traf er auf seinen bis dato schwierigsten Gegner, wie er erzählt. «Er war einfach ein Kopfballmonster. Um mit ihm auf Augenhöhe zu sein, hätte ich schon fast eine Trittleiter gebraucht.»

Bild zu diesem Beitrag

Wetz hatte in Thun einen auslaufenden Vertrag, eine Verlängerung war für beide Seiten keine Option. Via U21 des FC Basel kam Noël Anfang August 2022 nach Aarau, trainierte mit der 1. Mannschaft, unterschrieb nach einigen Tagen einen 2-Jahresvertrag und bezog ein kleines Apartment in Suhr. Rückblickend war es ein umtriebiges Jahr, mit vier Umzügen in vier Kantone. Hier in Aarau sieht er die Chance, sich persönlich weiterzuentwickeln. «Das vergangene Jahr nagte an meinem Selbstvertrauen. Wohl deshalb hatte ich in Aarau einige Anlaufschwierigkeiten und stand mir teilweise selber im Weg. Just als ich fand ‹Jetzt bin ich endlich wieder ich›, kam der Trainerwechsel und somit musste ich mich erstmal wieder neu beweisen. Aber ich habe an mir gearbeitet, die Vorbereitungszeit genutzt und bin endlich angekommen. Ich weiss natürlich, wo ich mich noch verbessern und dass ich Gas geben muss, aber endlich fühle ich mich wieder wie ich selbst.»

«Egal ob stylisch, ein bisschen crazy oder ruhig – man akzeptiert und respektiert jeden als Individuum.

Noël Wetz, über seine aktuellen Teamkollegen

Im Team sei er herzlich aufgenommen worden, erzählt Noël. Was ihm besonders gut in Aarau gefällt? «Jeder kann sein, wie er will. Es muss sich niemand verstellen oder sich gegenseitig übertrumpfen. Egal ob stylisch, ein bisschen crazy oder ruhig – man akzeptiert und respektiert jeden als Individuum.» Da sind sie wieder, die ehrlichen Begegnungen und das Vorurteilsfreie, was Noël so wichtig ist. Beispielsweise macht er sich auch nicht so viel aus Statussymbolen. Von den zwei Schülern nach seiner Lieblings-Modemarke gefragt: «Ich hatte eine Phase, in der ich viel Geld für teure Markenkleider ausgegeben habe. Aber dann musste ich feststellen, dass mir die Kleidung absolut keinen Mehrwert gibt und ich sie nur trage, um anderen Leuten zu imponieren. Diese Erfahrung kann ich euch nur als Tipp mitgeben. Teure Statussymbole bringen nichts.»

«Lernt zu schätzen, was wir hier haben»

Es ist an diesem Nachmittag in der Adlerstube nicht das einzige, was Noël den jungen Schülern mit auf den Weg geben will. Es geht auch um Social Media. «Auf Instagram postet jeder nur die schönsten Bilder und protzt mit Schmuck oder Uhren. Lasst euch davon nicht beeindrucken oder verunsichern. Es geht nicht nur um Geld, Aussehen und den perfekten Schein. Wichtig ist, dass man sich selbst und damit glücklich ist. Lernt zu schätzen, was wir hier haben und dass es uns so gut geht. Das ist nicht selbstverständlich.»

Auch rät er den Kindern, immer an sich selbst zu glauben, sich dabei aber nicht zu sehr unter Druck zu setzen und schon gar nicht sich von anderen unter Druck setzen zu lassen. Mit Freude und Spass an Herausforderungen herangehen und dabei alles geben und so über sich hinauswachsen, so Noëls Rezept.

Bild zu diesem Beitrag

Noël ist humorvoll, ehrgeizig, selbstkritisch, aber auch bescheiden und dankbar. Dankbar für alles, was er hat, dass er bis dato praktisch verletzungsfrei blieb und dass er hier in Aarau die Chance bekommt, seiner Leidenschaft nachzugehen. Und so antwortet er auf die Frage der Jungen, was er denn noch erreichen möchte und ob er sich nicht manchmal auch eine Abwechslung zum Fussball wünsche: «Ich bin Fussballer, ich will auf dem Platz stehen und nichts anderes machen. Aber ich bin mir bewusst, dass Fussball eine schnelllebige Sache ist, es geht schnell hoch und noch schneller runter. Ich will mich beim FC Aarau weiterentwickeln, besser werden und meine Ziele erreichen. Natürlich würde ich gerne auch mal in einer anderen Liga oder im Ausland spielen. Aber träumen ist nicht so meins, eines nach dem anderen und das dafür realisieren.»

Matchzeitung Nr. 14 (2022/23) lesen

Dieser Artikel ist am 11. März 2023 in der Ausgabe Nr. 14 (Saison 2022/23) der Matchzeitung HEIMSPIEL gegen den FC Stade Lausanne Ouchy erschienen.

«HEIMSPIEL Nr. 14» auf Issuu ansehen

Kategorie