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Am Samstag vor genau 40 Jahren unterschrieb Ottmar Hitzfeld seinen ersten Vertrag beim FC Aarau – und durfte bereits in der ersten Saison über den Cupsieg jubeln.

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Die Frage, wer den FC Aarau in der kommenden Spielzeit trainieren soll, zog sich im Frühjahr 1984 über mehrere Wochen hin. Amtsinhaber Zvezdan Cebinac hatte es zwar geschafft, das Team – in der dritten Saison nach dem Aufstieg in die Nationalliga A – nochmals einen Schritt weiterzubringen. Doch bereits in der Winterpause verdichteten sich die Anzeichen, dass der Jugoslawe keinen neuen Vertrag erhalten würde. «In letzter Zeit waren in diesem Verein viele Leute gegen mich. Und dennoch hatten wir Erfolg», liess sich «Cebi» im Aargauer Tagblatt vom 31. März 1984 zitieren. Die Saison beendete das Team schliesslich auf dem respektablen 10. Rang (16er-Liga) und mit der ersten Cup-Halbfinal-Teilnahme seit 54 Jahren (0:0 im Brügglifeld und 0:1 im Wiederholungsspiel gegen Servette).

In der FCA-Geschäftsleitung war man sich lange Zeit uneinig. Eine Verpflichtung von Willy Sommer, dem erfahrenen Trainer des Kantonsrivalen FC Wettingen, scheiterte am Veto des Aarauer Präsidenten Peter Treyer und des Vizepräsidenten Christian Meyer. Am 2. April fasste die Clubführung schliesslich den Entscheid, den 35-jährigen Ottmar Hitzfeld mit einem Zweijahresvertrag zu engagieren. Der Lörracher war als Spieler für den FC Basel, den VfB Stuttgart, den FC Lugano und den FC Luzern erfolgreich auf Torejagd gegangen und leistete bei seiner ersten Trainerstation, beim SC Zug, bemerkenswerte Arbeit. Den Aufsteiger in die Nationalliga B konnte er sogleich an der Tabellenspitze etablieren. Schliesslich schaffte er Ende Saison, als sein Wechsel zum FC Aarau bereits feststand, mit den Zugern sogar sensationell den Aufstieg in die höchste Spielklasse.

Anfängliche Skepsis wich rasch

Vier Tage nach dem wegweisenden Personalentscheid folgte die Offizialisierung. Peter Herzog, damaliger FCA-Berichterstatter beim Aargauer Tagblatt, erinnert sich: «Ich war auf der Redaktion, als mich ein Telefonanruf von Peter Treyer erreichte: ‹Jetzt unterschreiben wir›, teilte er mir mit. So begab ich mich ins Anwaltsbüro des Präsidenten in der Aarauer Rathausgasse, um die Vertragsunterzeichnung mit Ottmar bildlich festzuhalten.»

Für Herzog ist klar, dass die Verpflichtung Hitzfelds ohne das Durchsetzungsvermögen Treyers nicht geklappt hätte: «Es gab viele Widerstände. Die meisten Vorstandsmitglieder hätten lieber einen routinierteren Trainer im Brügglifeld gesehen. Doch die anfängliche Skepsis ist sehr rasch in allgemeine Euphorie umgeschlagen.»

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Vertragsunterzeichnung mit Peter Treyer (links, Präsident) und Christian Meyer (Vizepräsident)

Die bange Frage, wie die Aarauer den Abgang von Regisseur Roger Hegi verkraften würden, beantwortete das Team des Jungtrainers bereits im ersten Meisterschaftsspiel eindrücklich: Hegis neuer Arbeitgeber, der FC Luzern, wurde hochverdient (und viel zu knapp) mit 3:1 bezwungen. «Hitzfeld konnte auf eine eingespielte Achse mit Goalie Roberto Böckli, Abwehrchef Rolf Osterwalder, Charly Herberth im Mittelfeld sowie Walter Seiler im Sturm zählen. Ein sehr kluger Schachzug war die Verpflichtung der laufstarken Aussenverteidiger Karl Küng und Ruedi Zahner, die für viel Druck über die Seiten sorgten. Und Hegi-Nachfolger Walter Iselin leistete ein enormes Laufpensum, womit er sehr wichtig war für Hitzfelds Pressing-Fussball», sagt Herzog.

«Ottmar Hitzfeld war damals ein Menschenverführer im positiven Sinn, er konnte alle Leute von seinen Ideen überzeugen und begeistern.»

Peter Herzog, damaliger FCA-Berichterstatter beim Aargauer Tagblatt

Als der FC Aarau am 10. Oktober 1984 – noch immer ungeschlagen – auswärts Xamax mit 1:0 bezwang und damit eine imposante Heimserie der Neuenburger mit 20 Siegen in 22 Spielen beendete, schrieb Herzog: «Langsam wird das Ganze unheimlich.» Erst im 13. Pflichtspiel unter Hitzfeld, einem spektakulären Spitzenspiel auswärts gegen Leader Servette, folgte die erste Niederlage (2:4). Eine sensationelle Saison krönte der «FC Wunder», wie er in den Medien betitelt wurde, mit dem ersten und bislang einzigen Cupsieg in der Vereinsgeschichte (1:0 gegen Xamax) sowie Rang 2 in der Meisterschaft.

«Ottmar Hitzfeld war damals ein Menschenverführer im positiven Sinn, er konnte alle Leute von seinen Ideen überzeugen und begeistern. Er hat gemerkt: Hier passiert etwas in der Region. Etwas Ähnliches wie damals in Aarau geschieht zurzeit in Winterthur. Nach jahrelanger Abstinenz in der höchsten Liga war man zunächst froh, den Ligaerhalt zu schaffen. Umso grösser die Euphorie, als man dann auch noch mit spektakulärem Fussball vorne mitspielen konnte», zieht Herzog einen Vergleich mit dem aktuellen Höhenflug in der Eulachstadt.

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Ottmar Hitzfeld mit der Cuptrophäe. Rechts: Alfons «Radi» Schibli, damaliger Assistent

Hitzfelds Ära in Aarau endete nach vier Jahren mit einem denkwürdigen Spiel gegen seinen nächsten Arbeitgeber, die Grasshoppers. Als Leader reiste man am 1. Juni 1988 in den Zürcher Hardturm, mit der Ausgangslage, mindestens gleich hoch gewinnen zu müssen wie der Tabellenzweite Neuchâtel Xamax, der vor dieser Runde die gleiche Punktzahl und Tordifferenz aufwies wie die Aarauer. Vor 27 500 Zuschauern – die grosse Mehrzahl aus dem Aargau – verlor der FCA mit 1:2, während Xamax gegen St. Gallen dank späten Toren mit 2:0 siegte.

Aus der engen Zusammenarbeit zwischen Ottmar Hitzfeld und Peter Herzog entwickelte sich mit den Jahren eine Freundschaft, die auch heute noch Bestand hat. Der Journalist konnte somit Hitzfelds imposante Karriere als Clubtrainer (u.a. 2 Champions-League-Titel, 7x Deutscher Meister mit Dortmund und Bayern München) sowie als Coach der Schweizer Nationalmannschaft (2008–2014) etwas näher miterleben. Eine Trainerlaufbahn, die mit der Vertragsunterzeichnung beim FC Aarau am 6. April 1984 so richtig Fahrt aufgenommen hatte.

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Dieser Artikel ist am 6. April 2024 in der Ausgabe Nr. 15 (Saison 2023/24) der Matchzeitung HEIMSPIEL gegen den FC Schaffhausen erschienen.

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