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Unser Neuzugang Gianluca Frontino spricht über einen feigen Berater, seine jüngsten Vereinswechsel und die zurückgewonnene Lockerheit beim FC Aarau.

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Sommer 2008. Gianluca Frontino ist 18-jährig. Sein Talent macht ihn zu einem erfolgreichen Fussballspieler. Er ist kreativ, ein Schlitzohr, ein Spielmacher. Sein Spiel lebt von Freude und Lockerheit. Er hat einen Stammplatz im Nachwuchsteam der Grasshoppers und spielt für die Schweizer Junioren-Nati. Für Frontino ist klar: Bald spielt er für GC in der Super League und später im Ausland bei einem Topverein.

Es kommt anders. Bei seinen ersten Trainings mit der 1. Mannschaft merkt er, dass er längst nicht das Niveau der Profis hat. Es liegt nicht am Fussballerischen. Vielmehr fehlen Fachwissen und eine professionelle Einstellung. Wie sieht die optimale Erholung nach einem harten Training aus? Wie ernährt sich ein Leistungssportler? Wie könnten Ausdauer, Schnelligkeit und Kraft verbessert werden? Er merkt: Talent allein reicht nicht für den erfolgreichen Berufseinstieg. Frontino hat Fragen. Doch bei GC bekommt er keine Antworten.

Eine Chance in Apulien

In dieser schwierigen Phase spielt Frontino mit der U-18-Nati gegen Italien. Er überzeugt so, dass er ein Angebot des italienischen Vereins US Lecce in der Post hat. Frontino zögert nicht. In seiner Situation scheint eine Veränderung sinnvoll. Es ist das erste Mal für den jungen Mann, dass er weg ist von daheim. Selber kochen, selber putzen, selber waschen. Aber es gefällt dem Teenager: In Lecce wohnt er in einer Wohnung in der Nähe des Strandes. Das Essen ist ein Traum. Die Sonne scheint und er spielt in der höchsten Juniorenliga auf Top-Niveau. Er trainiert sogar gelegentlich mit der Serie-A-Mannschaft. Im professionellen Betrieb der Süditaliener erhält Frontino nun auch ein gutes Coaching und er entwickelt sich mental und körperlich weiter.

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Ende Saison hat Frontino die Verantwortlichen in Lecce überzeugt. Sie wollen den jungen Thurgauer behalten und ins Profiteam integrieren. Für Frontino ist klar: Diese Chance will er nutzen. Doch es gibt ein Problem: Er war nur nach Lecce ausgeliehen und steht bei GC unter Vertrag. Er reist zurück in die Schweiz und sucht, zusammen mit seinem Berater, das Gespräch mit den Zürchern. Diese wollen Frontino ungern gehen lassen. Der Traum scheint zu platzen. Doch Frontinos Berater, GC und Lecce können sich einigen. Für 80 000 Franken Ablösesumme soll der Wechsel über die Bühne gehen. Frontino ist erleichtert und freut sich auf diesen nächsten Schritt. Nur noch Details sind zu klären – denkt er.

«Ich habe diesen Mann bis heute nie mehr wiedergesehen.»

Gianluca Frontino, über seinen früheren Berater

Vier Tage später wird Frontino nach dem Training ins Büro zitiert. «Der Vertrag ist da. Jetzt kann ich unterschreiben», denkt er und freut sich. Leider nein. Der damalige GC-Manager Erich Vogel teilt ihm mit, dass sein Berater für den Transfer zusätzlich zur Transfersumme noch 70 000 Franken Honorar forderte. Diese Summe zahlt Lecce nicht. Die Italiener holten schon einen anderen jungen Spieler für das offensive Mittelfeld. Sein Traum nimmt ein enttäuschendes Ende.

Er ist wütend. Über dreissig Mal ruft Frontino seinen Berater an, er will ihn zur Rede stellen. Doch dieser meldet sich nicht mehr. «Ich habe diesen Mann bis heute nie mehr wiedergesehen», erzählt Frontino heute.

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Gianluca Frontino wechselte erst im September vom aktuellen Gegner Winterthur aufs Brügglifeld

Das ist zu viel. Dieses «Drecksgeschäft» widert ihn an. Frontino wechselt zu seinem Heimatverein nach Schaffhausen und versucht es noch kurz in der Challenge League. Doch seine Freude und Lockerheit sind weg. Er hört auf mit Fussball und beginnt bei einer Versicherung zu arbeiten. Die Arbeit passt ihm. Frontino ist ein offener und motivierter junger Mitarbeiter. Die Arbeit mit den Kunden liegt ihm. Mit seiner sympathischen Art gelingt es ihm, das Vertrauen seiner Kunden zu gewinnen. Für Frontino ist klar: Dieses Geschäft ist ehrlicher als der Fussball, hier will er bleiben.

Neuanfang in Schaffhausen

Das Gefühl des Balles am Fuss vermisst der begnadete Techniker aber doch. In der 2. Liga will er noch etwas kicken. Aber er ist definitiv zu gut für diese Stufe. Er schiesst als Mittelfeldspieler 34 Tore. In der gleichen Saison steigt der FC Schaffhausen in die 1. Liga ab. Die Nordschweizer wollen Frontino zurück. Er sagt zu, allerdings gibt er den Verantwortlichen zu verstehen, dass Fussball für ihn nicht mehr an erster Stelle stehe. Er wechselt trotzdem.

Frontino hat seine Lockerheit wieder. Der Spass am Spiel steht für ihn im Mittelpunkt. Denn er weiss: Wenn es nicht läuft, kann er zurück ins Büro. Das ist der Beginn einer Serie von Erfolgen. Frontino steigt mit dem FCS in die neu gegründete Promotion League und ein Jahr später in die Challenge League auf. Zusammen mit Patrick Rossini bildet er ein geniales Duo. In drei Saisons erzielt er über 60 Tore. Da ist er wieder: Der alte Gianluca Frontino. Er freut sich jedes Mal, wenn er auf den Fussballplatz darf. Klar, mit solchen Leistungen erhält man auch wieder Angebote von grossen Klubs. Zu GC und St. Gallen will er nicht, aber schauen, was er fussballerisch noch erreichen kann schon. Er geht 2014 lieber zum kleineren FC Thun.

«Saibene sagte mir offen und ehrlich, dass ich in seinem System keinen Platz habe.»

Gianluca Frontino, über seine Zeit in Thun

Es läuft. Unter den Trainern Urs Fischer und Ciriaco Sforza spielt Frontino oft. Dann kommt Jeff Saibene und setzt nicht mehr auf ihn. «Saibene sagte mir offen und ehrlich, dass ich in seinem System keinen Platz habe», erzählt Frontino. Mittlerweile ist er durch seinen Werdegang aber so reif, dass ihn das nicht aus der Bahn wirft. Er wechselt Anfang 2016 zurück zum FC Schaffhausen. Dort wird er Captain. Doch in der Winterpause der darauffolgenden Saison ist Schaffhausen Letzter. Murat Yakin übernimmt den Trainerposten. Yakin redet mit Frontino und sagt ihm, dass er mit ihm als Führungsspieler noch nicht zufrieden sei.

Da kommt plötzlich ein Anruf des FC Winterthur. Frontino erfährt: Schaffhausen hat ihn hinter seinem Rücken anderen Klubs angeboten. Ohne Gespräch, ohne Ehrlichkeit. Frontino ist geschockt. Er fühlt sich hintergangen. Es war wieder da: das «Drecksgeschäft». Er wechselt nach Winterthur, und Schaffhausen kommuniziert, dass Frontino diesen Wechsel wollte. Das war hart für Frontino. Offenheit und ein ehrlicher Umgang sind ihm wichtig. Doch die Freude am Fussball lässt er sich nicht verderben.

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Frontino jubelt mit seinem langjährigen Mitspieler Patrick Rossini

In Winterthur ist alles in Ordnung. Allerdings fehlen ihm die Perspektiven. In einem Gespräch mit der Vereinsführung erfährt er, dass das Ziel des FCW sei, jedes Jahr möglichst viele junge Spieler zu verkaufen. Das ist nichts für den Spassfussballer Frontino. Er möchte in eine Mannschaft mit sportlichen Ambitionen. Denn er sagt: «Spass am Spiel kommt mit dem Erfolg.»

In diesem Moment kommt der Anruf von Sandro Burki, dem Sportchef des FC Aarau. Er will Frontino. Er wäre das kreative Element für eine Mannschaft, der die spielerische Finesse oft fehlt. Er lässt sich begeistern für die Mission des neuen Sportchefs und will dem FC Aarau helfen, wieder an die Spitze der Challenge League zu kommen. «Für mich ist der FCA ein Spitzenverein und die Qualität in der Mannschaft stimmt», sagt Frontino. Er lässt sich von der schwierigen Situation des FCA nicht beirren. Auch der sportlichen Führung des Vereins vertraut er. Das ist in seinem Fall besonders wichtig, denn auf eine weitere Enttäuschung hat er keine Lust.

Matchzeitung Nr. 7 (2017/18) lesen

Dieser Artikel ist am 23. Oktober 2017 in der Ausgabe Nr. 7 (Saison 2017/18) der Matchzeitung HEIMSPIEL gegen den FC Winterthur erschienen.

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