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Der 28-jährige Winterthurer Alessandro Ciarrocchi ist ein Vollblutstürmer, der die Schuhe seit dieser Saison für den FC Aarau schnürt.

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Die Wohnungstüre der Ciarrocchis in Buchs steht bereits offen und die junge Familie ist bereit zur Begrüssung. Die zweijährige Sofia ist aufgeregt. «Was will dieser Besucher mit Kamera und Schreibblock bei uns?» scheint sie sich zu fragen. Doch im Arm ihrer Mutter Federica beruhigt sie sich rasch wieder. Diese junge Familie ist der Stolz von Alessandro Ciarrocchi, der seit diesem Sommer beim FC Aarau unter Vertrag steht. «Neben dem Fussball habe ich viel Freizeit. Wir gehen oft mit der Kleinen auf Spielplätze oder unternehmen sonst etwas», erzählt er mit einem Strahlen im Gesicht.

Und während des Gesprächs merkt man, dass sich die kleine Sofia gewohnt ist, viel Zeit mit ihrem Vater zu verbringen. «Ich gebe jetzt ein Interview. Gleich bin ich wieder da», erklärt er mehrmals geduldig. Die Familie zieht es oft nach Bern oder Zürich. «Wir shoppen gern und lieben es, in Boutiquen nach schönen Kleidern Ausschau zu halten», erzählt Ciarrocchi. Bei seiner Frau Federica zieht sich die Leidenschaft für Mode bis ins Berufliche – in Bellinzona arbeitete sie in einem Kleiderladen. «Nun ist sie aber Vollzeit-Mami», sagt der Papi, sichtlich stolz.

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Ciarrocchi im Duell mit Adrian Winter

Als Ciarrocchi selbst noch jung war, wusste er bereits, dass er Fussballprofi werden möchte. Angefangen hat er beim FC Tössfeld. Bereits dem kleinen Knirps war klar: Er will zum FC Winterthur. Mit seinem damaligen E-Junioren-Team machte er bei einem Turnier mit, bei dem auch eine Mannschaft des FCW dabei war. Da sagte ihm sein Vater: «Wenn du zu denen willst, dann musst du den Trainer jetzt fragen, ob du zu einem Training gehen darfst.» Gesagt, getan. «Wenn du gut spielst, kannst du kommen», antwortete der Winterthurer Trainer. Ciarrocchi nutzte seine Chance und gehörte fortan zum Club aus der Eulachstadt. Dort durchlief er alle Jugendmannschaften, bis er im Alter von 17 Jahren in die 1. Mannschaft aufgenommen wurde.

«Mein Traum war die Serie A.»

Alessandro Ciarrocchi, über seine Ziele

Bereits bei seinem zweiten Teileinsatz erzielte er sein erstes Tor bei den Profis. Seine Ziele waren aber grössere: «Mein Traum war die Serie A», so Ciarrocchi. So wechselte er bereits nach seinem ersten Jahr in der Challenge League, trotz Angeboten von Basel und GC, zu Piacenza in die Serie B Italiens – von dort hätte der Schritt in die höchste italienische Liga folgen sollen. Er spielte mit heute berühmten Akteuren wie Radja Nainggolan, der heute bei der AS Rom unter Vertrag steht, oder Antonio Nocerino, der für Italien 15 Länderspiele bestritt. «Mit Nainggolan habe ich auch heute relativ oft Kontakt per SMS.»

So freut sich Ciarrocchi nicht nur über Erfolge der Schweizer und der ita­lienischen Nationalmannschaft, sondern er sieht auch gerne Erfolge seines Freundes Nainggolan mit den Belgiern. Durchsetzen konnte sich Ciarrocchi bei Piacenza nicht. Nach der zweiten Saison wurde er in die Serie C zu Pistoiese ausgeliehen. Dort stand er zwar öfter auf dem Feld, mit dem Toreschiessen klappte es aber nicht. Die Zeit war gekommen, um den Schritt retour in die Schweiz zu machen – Ciarrocchi wechselte in die Super League zur AC Bellinzona.

Zwischen Himmel und Hölle

Im Tessin fühlte sich der Winterthurer unter Trainer Marco Schällibaum wohl. Sportlich lief es bei Bellinzona zwei Saisons lang gut, und auch privat kam etwas ins Rollen. In seiner Lieblingspizzeria überzeugte nicht nur das Essen, sondern auch die Wirtstochter Federica. Die beiden gefielen sich, es funkte und sie wurden ein Paar. Privat war der herzliche Strahlemann also bestens versorgt. Sportlich wurden die Umstände härter. Nach dem Abstieg 2011 folgten zwei Saisons in der Challenge League, danach geriet die AC Bellinzona in finanzielle Schieflage. Auf die Saison 2013/14 musste Bellinzona zwangsweise in die Promotion League absteigen – knapp dreieinhalb Millionen Franken fehlten dem Club.

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«Bobogol» jubelt im Aarauer Trikot

Nun war für Ciarrocchi klar: Eine neue sportliche Herausforderung musste her. Diese wäre schnell gefunden gewesen. Wacker Burghausen aus der 3. Bundesliga wollte den Stürmer verpflichten. Mit dem damaligen Präsidenten der ACB, Gabriele Giulini, vereinbarte Ciarrocchi per Handschlag, dass er wechseln könne. Ciarrocchis Manager bereitete alles für einen Wechsel nach Burghausen vor. Sie hatten die Rechnung aber ohne Cheftrainer Livio Bordoli gemacht. Bordoli – in Aarau bestens bekannt seit seinem Trainerengagement zu Beginn der Saison 2015/16 – übernahm bei der ACB immer mehr die Zügel von Präsident Giulini und forderte plötzlich eine Ablösesumme für Ciarrocchi.

Später wollte er gar, dass Ciarrocchi auf zwei Monatslöhne verzichtet. Der Stürmer wollte nur noch weg und akzeptierte alle Forderungen. Der Wechsel verzögerte sich aber so lange, bis der Deal platzte. «Bordoli sagte uns immer, wir sollen Männer sein. Ich war immer offen und ehrlich. Dass gerade für Bordoli solche Abmachungen nichts zählten, hat mich schwer enttäuscht.» Der Weg ging für Alessandro Ciarrocchi nicht nach Deutschland, sondern zum FC Chiasso. Hier kam er sportlich gut in Fahrt, jedoch fühlte er sich in der Mannschaft nicht wohl.

«Ich wurde sogar ausgepfiffen. Das tat weh.»

Alessandro Ciarrocchi, in Chiasso

«Der Wechsel ging spät über die Bühne und ich habe den Anschluss in der Gruppe nicht gefunden. Zudem ist man in Chiasso gegenüber Spielern, die von Bellinzona kommen, per se skeptisch.» Auch die Fans in Chiasso schlossen den bulligen Stürmer nicht ins Herz. «Ich wurde sogar ausgepfiffen. Das tat weh.» Nach diesem Jahr kam das Angebot des FC Köniz aus der Promotion League gerade recht. Ciarrocchi wollte weg aus Chiasso und das Berner Team war gespickt mit ehemaligen Super-League-Spielern wie Carlos Varela oder Jiri Koubsky. «Ich glaubte daran, dass wir den Aufstieg in die Challenge League schaffen können.» Jedoch war die Konkurrenz in jener Saison 2014/15 mit Neuchâtel Xamax zu gross. Die Profi-Truppe aus dem Welschland schaffte den Aufstieg und Köniz wurde nur Zweiter.

«Ein rundum toller Verein»

Nach einer weiteren Saison bei Chiasso war für den Stürmer klar: Er wollte es nochmals in der Deutschschweiz versuchen. Da kam das Angebot aus Aarau. Ciarrocchi musste nicht lange überlegen, denn zum einen war sein früherer Weggefährte Marco Schällibaum mittlerweile im Mittelland engagiert und wollte ihn. Zum anderen machten Fussballer wie Shkelzen Gashi oder Davide Callà vor, dass man in Aarau einen Schritt nach vorne machen kann. Hier stimmt es nun für Alessandro Ciarrocchi und seine Familie.

«Der Staff, die Spieler, der Präsident und die Zuschauer – der FC Aarau ist rundum ein toller Verein. Dieser Club gehört für mich in die Super League, nur schon wegen der Fans», schwärmt Ciarrocchi, der es geniesst, wenn die Fans ihn mit «Bobo-Goal»-Rufen anfeuern. Zu seinem Mitspieler Patrick Rossini hat sich eine Freundschaft entwickelt. Die beiden Familien verbringen oft Zeit miteinander.

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Ciarrocchi freut sich mit seiner Tochter nach einem Spiel

Das Ziel von Ciarrocchi mit dem FCA ist klar: Der Aufstieg soll her. Dass es diese Saison mit dem Konkurrent FC Zürich schwierig wird ist klar. Jedoch lebt der Glaube an den Aufstieg nach wie vor: «Nie aufgeben», ist «Bobos» Motto. Für ihn ist es auch zweitrangig, ob er auf dem Flügel eingesetzt wird, wie in einigen der letzten Spiele, oder im Zentrum. «Ich sehe mich klar als Mittelstürmer. Aber wenn mich der Trainer am Flügel einsetzt, dann gebe ich auch dort alles», sagt Ciarrocchi.

«Andere Spieler haben auch erst spät einen grossen Schritt gemacht.»

Alessandro Ciarrocchi, über die Zukunft

Seine nahe Zukunft sieht er also beim FC Aarau. Jedoch träumt der Kämpfer nach wie vor vom Sprung in eine grosse Liga. «Spieler wie Luca Toni oder Graziano Pellè haben auch erst spät einen grossen Schritt gemacht.» Auch über die Zeit nach seiner Karriere macht sich Ciarrocchi Gedanken. «Ich absolviere die Ausbildungen zum Kinderfussball-Trainer und es wäre eine Option, einmal als Juniorentrainer zu arbeiten.» Gut vorstellbar, denn der Umgang mit Kindern liegt dem Familienvater zweifellos.

Matchzeitung Nr. 6 (2016/17) lesen

Dieser Artikel ist am 16. Oktober 2016 in der Ausgabe Nr. 6 (Saison 2016/17) der Matchzeitung HEIMSPIEL gegen den FC Wil erschienen.

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