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Im Interview spricht Sven Christ, Technischer Leiter beim Team Aargau, über die bisherigen Erfahrungen, die Zusammenarbeit mit dem FCA-Sportchef und die zukünftige Ausrichtung der Nachwuchsorganisation.

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Sven, inzwischen bist du seit neun Monaten im Amt. Wie fällt deine Zwischenbilanz aus?

Patrick Haller

In einer ersten Phase habe ich einfach nur beobachtet. Viele Abläufe hatten sich unter meinem Vorgänger Sascha Stauch bewährt, weswegen sie unverändert fortgesetzt wurden; spätestens im Winter wollten wir erste Weichen stellen. Dabei haben wir viel in die U-15-Teams investiert. Bislang wechselten die Talente aus Baden und Wohlen erst mit dem Team Aargau U-16 zu uns, was sich in Problemen bei der Akklimatisierung zeigte. Dadurch haben wir nicht nur ein halbes Jahr, sondern auch immer wieder Talente verloren. Nach anfänglicher Skepsis ist es gelungen, auch unsere Partnervereine zu überzeugen, sodass wir die grössten Talente auf der Stufe U-15 in diesem Jahr erstmals schon in der Winterpause in Aarau zusammenzogen. Unser Ziel ist es, dass diese Auswahl (FC Aarau U-15) geschlossen ins Team Aargau übertritt und die individuelle Förderung sowie das Mannschaftsgefüge gleichermassen verbessert werden.

Sven Christ

Welche Massnahmen zur Talentförderung wurden auch noch in die Wege geleitet?

Patrick Haller

Wir haben Kontakt mit dem Schweizerischen Fussballverband (SFV) aufgenommen und unsere Bewerbung eingereicht, um zukünftig auch eine U-17-Mannschaft zu stellen. Mit dem Ziel, dass wir einige Talente via U-17 in die U-18 bringen, anstatt sie einfach zu verlieren, nur weil sie z. B. körperliche Defizite haben. Zugleich sind wir so auch auf den bevorstehenden Strukturwechsel vorbereitet, wenn die FIFA-Vorgaben mit den neuen Alterskategorien U-16, U-17 und U-19 auf die Saison 2019/20 auch in der Schweiz eingeführt werden.

Sven Christ

Ein Sorgenkind bleibt das Team Aargau U-21, das den angestrebten Aufstieg in die 1. Liga auch in dieser Spielzeit nicht schaffen wird. Worin siehst du die Gründe für dieses Scheitern?

Patrick Haller

Nach dem zweiten Rang in der letzten Saison hatten wir uns gesagt, dass wir nochmals einen Anlauf nehmen, obwohl wir schon aus den Subventionen rausgefallen waren und alle Aufwände selbst zu tragen hatten. Auch wenn viel Potenzial in unseren Talenten steckt, mussten wir leider rasch feststellen, dass es nur mit jungen Spielern nicht reicht, um aufzusteigen; zumal wir auch gegen starke Kontrahenten wie Pajde oder Zofingen anzukämpfen hatten. Deshalb haben wir uns entschieden, die Auswahl auf Saisonende aus der Meisterschaft zurückzuziehen. Zurzeit laufen Gespräche mit den Verantwortlichen des Vereins FC Aarau 1902, ob sie den Startplatz übernehmen möchten.

Sven Christ
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Das Team Aargau U-21 (in der Mitte: Raoul Giger) wird vom Spielbetrieb abgemeldet

Wie sollen die bisherigen U-21-Talente in Zukunft gefördert werden?

Patrick Haller

Es war uns klar, dass eine Anschlusslösung gefunden werden musste. Dabei ist der FC Baden auf uns zugekommen. Unser Ziel muss es sein, dass die besten Talente – wie einst unter Francesco Gabriele bzw. meiner Person zwischen 2012 und 2014 – aktuell in Baden spielen. Auf diesem Weg waren unter anderem Joël Geissmann, Miguel Peralta, Marvin Spielmann und Marco Thaler zu Spielern der Swiss Football League gereift; seither ist nichts mehr passiert. Nun wollen wir diesen Kanal wieder stärken, indem wir unsere Talente anbieten. Nichts wird aufgezwungen, alle Entscheide werden weiterhin vom FC Baden eigenständig getroffen. Es ist mir wichtig zu betonen, dass wir den Verein nicht übernehmen wollen. Vielmehr möchten wir den FC Baden unterstützen und unseren jungen Talenten zugleich eine interessante Möglichkeit bieten, sich auf einem hohen Niveau weiterzuentwickeln. Dadurch entsteht ein Mehrwert für alle Beteiligten.

Sven Christ

Bis zum Saisonende wird der FC Baden von Fredy Strasser trainiert. Wie wird die Suche nach einem neuen Baden-Trainer, der diese Strategie der Talentförderung umsetzt, ablaufen?

Patrick Haller

Natürlich habe ich einen Kriterienkatalog erstellt. Es wird ein Trainer gesucht, der die Erfahrung aus dem Juniorenspitzenfussball wie auch aus dem Aktivbereich mitbringt. Bestenfalls kennt er auch die Aargauer Fussballlandschaft und lässt sich in Verbindung mit anderen Funktionen beim Team Aargau im 100-%-Pensum einstellen, wie es einst bei Francesco Gabriele und mir gemacht worden war. Erste Gespräche sind bereits geführt worden. Am Ende wird Baden eine Liste mit vier oder fünf geeigneten Kandidaten erhalten, um den Trainer auszuwählen, der dem Club am meisten entspricht.

Sven Christ

Eine weitere Baustelle ergab sich aus dem Rückzug des FC Wohlen aus der Challenge League per Saisonende. Wie wirkt sich dieser Entscheid auf das Team Aargau aus?

Patrick Haller

Wir haben längere Zeit nicht gewusst, was geschehen wird. Es stand die Frage im Raum, ob wir einen Partner verlieren würden. Dies wäre passiert, wenn sich Wohlen in den Regionalfussball verabschiedet hätte. Daher haben wir verschiedene Szenarien geprüft: Ist es möglich, nur mir zwei Clubs weiterzufahren? Gibt es Chancen auf neue Partnerschaften? Oder können wir alleine weiterfahren? Letzteres war aus Lizenzgründen ausgeschlossen, sodass wir natürlich extrem froh sind, dass der FC Wohlen mit dem Neuanfang in der Promotion League weiterhin im Team Aargau aktiv sein wird. Wir haben ihnen aufgezeigt, wie sie auch weiterhin profitieren können – mit der Einführung einer U-19-Meisterschaft wird es möglich sein, die grössten Talente aus dem Team Aargau zukünftig in Wohlen zu fördern. Aktuell ist dieser Sprung noch zu gross.

Sven Christ

Aktuelle Kaderspieler beim FC Aarau mit einer Vergangenheit im Team Aargau

  • Nicholas Ammeter (Jg. 2000, ohne Einsatz)
  • Jan Burkard (Jg. 2000, ohne Einsatz)
  • Marco Corradi (Jg. 2000, 4 Spiele)
  • Raoul Giger (Jg. 1997, 20 Spiele)
  • Mats Hammerich (Jg. 1998, 31 Spiele)
  • Lars Hunn (Jg. 1999, 8 Spiele)
  • Olivier Jäckle (Jg. 1993, 181 Spiele)
  • Noah Lüscher-Boakye (Jg. 2001, 3 Spiele)
  • Miguel Peralta (Jg. 1995, 28 Spiele)
  • Matija Randjelovic (Jg. 2001, 3 Spiele)
  • Varol Tasar (Jg. 1996, 22 Spiele)
  • Marco Thaler (Jg. 1994, 98 Spiele)
  • Stevan Lujic* (Jg. 2002, 2 Spiele)
  • Nikola Maksimovic* (Jg. 1998, 1 Spiel)

* = erweitertes Kader

Zurück zum FC Aarau: Anfang Jahr wurden vier U-18-Spieler in die 1. Mannschaft integriert. Kürzlich kamen weitere Talente zu ihrem Debüt in der Challenge League. Welche Bedeutung haben solche Ereignisse für das Team Aargau?

Patrick Haller

Unsere zentrale Aufgabe im Team Aargau ist es, Talente zu präsentieren, die den Partnerclubs in Aarau, Baden und Wohlen einen Mehrwert bringen. Dazu haben wir viel investiert – nicht nur in die Sichtung von Talenten, sondern auch mit Schwerpunkten nach «offenen» Spielpositionen. Alles wäre jedoch unmöglich, wenn Sandro Burki als Sportchef nicht mitgezogen hätte. Unsere Zusammenarbeit ist grandios, was viel Vertrauen voraussetzt. Eine Durchlässigkeit, wie wir sie aktuell sehen, ist wichtig, um die Talente zu präsentieren und ihnen zugleich auch aufzeigen zu können, wie ihr Karriereweg beim FC Aarau aussieht. Aus der 1. Mannschaft haben insgesamt zwölf aktuelle Kaderspieler von der individuellen Nachwuchsförderung im Team Aargau profitiert. Wir müssen aufhören, uns kleiner zu machen als wir sind. Momentan haben wir auf jeder Stufe sowohl einen Torhüter als auch mindestens einen Feldspieler in der Nationalmannschaft. Das sind Fakten.

Sven Christ

In dieser Saison spielen die drei jüngsten Challenge-League-Debütanten allesamt beim FCA – wie schmal ist der Grat zwischen Frühförderung und Verheizung von jungen Talenten?

Patrick Haller

Wir stehen in einem ständigen Austausch mit der 1. Mannschaft. Es ist immer ein Kampf um Einsatzzeiten. Natürlich möchte ein junger Spieler viel lieber einen Kurzeinsatz in der Challenge League haben, aber 90 Minuten im Nachwuchs bringen ihm für die Entwicklung mehr. Also gilt es auch immer abzuwägen, ob ein Talent überhaupt reelle Einsatzchancen im Fanionteam hat, was natürlich auch immer vom Cheftrainer abhängt. Wichtig ist, dass wir aus den Fehlern der Vergangenheit lernen. Wir können es uns nicht erlauben, Talente zu verlieren, indem wir sie auf der Ersatzbank versauern lassen und sie in ihrer Entwicklung stagnieren.

Sven Christ
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Stevan Lujic kam als 16-Jähriger zu seinem Debüt im Fanionteam

Im Sommer wird Urs Bachmann als Präsident des Team Aargau zurücktreten. Als Nachfolger ist Sandro Burki vorgeschlagen. Wie wird er die zukünftige Entwicklung unterstützen können?

Patrick Haller

Ich bin überzeugt, dass er durch seine bisherige Rolle im Ausschuss bereits sehr viel gebracht hat. Er war es, der den Kontakt zu Wohlen wieder hergestellt hat, nachdem das Geschirr schon zerschlagen schien. Auch an den Gesprächen mit Baden war er beteiligt. Er ist der ruhende Pol, der die Menschen wieder eint. Oftmals war es ein Gegeneinander, nun ist es auch dank Sandros Engagement wieder ein Miteinander. Er kann die Leute für ein gemeinsames Ziel begeistern.

Sven Christ

Im aktuellen Trainerstab finden sich mit Sven Lüscher (Cheftrainer U-15) und Juan Pablo Garat (Assistenztrainer U-18) auch verdiente FCA-Spieler. Welche Bedeutung hat es, solche Namen für die Nachwuchsförderung zu gewinnen?

Patrick Haller

Diese Identifikation ist von zentraler Bedeutung. Allerdings muss auch gut abgewogen werden, welche Spieler sich für diese Aufgaben eignen. Wer bietet einen Mehrwert? Wir suchen Trainer, welche sich voll einsetzen wollen. Da sind Pablo und Sven Paradebeispiele. Dazu gehört aber auch, dass wir ihnen mögliche Karrierechancen aufzeigen können und die finanziellen Mittel investieren, um die hohe Qualität von Trainern in der Organisation Team Aargau zu behalten.

Sven Christ

Der FC Aarau kämpft seit vielen Jahr für ein neues Stadion im Torfeld Süd. Wie wichtig ist dieses Projekt für den Nachwuchs?

Patrick Haller

Oftmals werden die Diskussionen um das neue Stadion mit den Leistungen der 1. Mannschaft verknüpft. Dabei geht vergessen, dass dieses Projekt für den Juniorenspitzenfussball im Kanton Aargau ebenso überlebenswichtig ist – ohne Stadionneubau gibt es keine Perspektiven für die Talente. Wir können ihnen keinen Karriereweg bieten; stattdessen werden sie frühzeitig in die anderen Talentschmieden nach Basel, Bern, Luzern oder Zürich abwandern, weil wir in Sachen Infrastruktur und Zukunftsaussichten nicht mehr konkurrenzfähig sein werden.

Sven Christ

Matchzeitung Nr. 15 (2017/18) lesen

Dieser Artikel ist am 18. April 2018 in der Ausgabe Nr. 15 (Saison 2017/18) der Matchzeitung HEIMSPIEL gegen den Neuchâtel Xamax FCS erschienen.

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