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Unser Cheftrainer Boris Smiljanic spricht über berufliche Grundtugenden, sein Ausbrechen aus dem «Hamsterrad» und die Erkenntnisse aus der aktuellen Vorbereitungsphase.

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«Ich war nie gerne ein Verteidiger», offenbart Boris Smiljanic im Laufe des Gesprächs. Im Nachwuchs hatte er stets im offensiven Mittelfeld agiert, war in nationalen Auswahlen sogar als Mittelstürmer im Einsatz gestanden, doch die Verantwortlichen beim Grasshopper Club Zürich hatten andere Pläne mit dem grossgewachsenen Youngster. Im GC-Mittelfeld werde er im Konkurrenzkampf mit den teuren Ausländern chancenlos sein. Also wurde er «nach hinten verfrachtet», wie es Smiljanic ausdrückt. Dieser ungeliebte Positionswechsel hinderte ihn jedoch nicht daran, während mehr als 15 Jahren zu den prägendsten Abwehrspielern im Schweizer Fussball zu zählen. Über 400 Pflichtspiele absolvierte Smiljanic, welcher auch drei Mal im Dress der «Nati» zum Einsatz kam, in der höchsten Spielklasse für GC und den FC Basel. Bilanz: Sechs Meistertitel, drei Cupsiege und unzählige Europapokal-Abenteuer, welche auch den spielstarken Innenverteidiger ins internationale Schaufenster stellten.

«Ich durfte immer ein angenehmes, ruhiges Leben in der Schweiz führen.»

Boris Smiljanic, über seine Aktivzeit

Natürlich hätten ihn andere Ligen gereizt, doch den Drang unbedingt ins Ausland wechseln zu müssen, verspürte er nie. «Ich durfte immer ein angenehmes, ruhiges Leben in der Schweiz führen», erinnert sich Smiljanic. Ihm sei es wichtiger gewesen, dass sich seine Familie mit damals zwei kleinen Kindern wohlfühlt. Aufgrund seiner Vereinstreue erlebte er auch zahlreiche Gastspiele im Brügglifeld, nachdem er als kleiner Junge – aufgewachsen in Baden, wo Smiljanic noch immer wohnhaft ist – mit seinem Vater auch als Zuschauer immer wieder im Stadion gewesen war. Es seien stets umkämpfte Duelle mit einer positiv aufgeheizten Atmosphäre gewesen. In besonderer Erinnerung blieb ihm die Begegnung vom 13. Mai 2010: Als etatmässiger Elfmeterschütze verzichtete er darauf, gegen «meinen guten Freund Ivan Benito» zum Penalty anzutreten; stattdessen traf Gonzalo Zarate, GC siegte am Ende mit 4:1 – und der FC Aarau musste nach 29 Jahren aus der obersten Spielklasse absteigen.

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Boris Smiljanic lebt die Ernsthaftigkeit für den Beruf vor

Zwei Jahre später endete auch die aktive Karriere von Boris Smiljanic. Vorgesehen war, dass er als Übungsleiter bei der U21-Auswahl von GC ins Trainergeschäft einsteigt, doch eine reglementarische Änderung bei der Trainerausbildung führte zu einem Zwischenjahr bei den A-Junioren des damaligen Partnervereins FC Dietikon. «Es war ein sehr intensives, lehrreiches Jahr», resümiert Smiljanic, welcher zugleich bereits als U21-Assistent fungierte. Als «Mentor meiner Traineranfänge» bezeichnet er den einstigen GC-Nachwuchschef Marco Otero. «Von ihm habe ich viele spannende Inputs erhalten, womit ich mich identifizieren konnte», sagt Smiljanic über den heutigen Technischen Direktor von Olympique Marseille.

Ernsthaftigkeit zum Beruf als Grundtugend

In seiner Spielerkarriere hatte er zahlreiche Persönlichkeiten der Schweizer Trainergilde aus nächster Nähe erlebt. Dazu gehörten neben seinem langjährigen Förderer Christian Gross auch Roy Hodgson, Marcel Koller, Hanspeter Latour oder der Aarauer Meistertrainer Rolf Fringer. «Natürlich habe ich bei den grossen Namen immer beobachtet, was mir an deren Auftritt gefällt – und was nicht», so Smiljanic, «aber wenn ich meine heutige Arbeit anschaue, sehe ich nicht viele Übereinstimmungen.» Gemeinsam sei allen Erfolgstrainern gewesen, dass sie die Ernsthaftigkeit zu ihrem Beruf lebten. Eine Grundtugend, welche für Smiljanic auch als Basisrezept im Alltag gilt: «Wenn ich etwas mache, dann mache ich es richtig – ansonsten lasse ich es lieber bleiben», sagt Smiljanic.

«Man darf auch mal einen älteren Spieler gröber attackieren. Alle müssen spüren, dass der Junge um seinen Job kämpft.»

Boris Smiljanic, über Trainingstipps

Es vermag nicht zu überraschen, dass die Schlagworte «Einsatz», «Überzeugung» und «Willen» auch bei der Förderung von jungen Spielern für Smiljanic von zentraler Bedeutung sind. Als mehrjähriger U21-Cheftrainer beim Grasshopper Club Zürich hat er unzählige Talente kommen und gehen sehen – nur wenigen ist der Sprung in den Profi-Fussball gelungen, darunter auch den heutigen FCA-Spielern Valon Fazliu, Nikola Gjorgjev und Arijan Qollaku. Was braucht es, um sich als junger Fussballer durchsetzen zu können? «Eine gesunde Mischung aus Talent und dem absoluten Willen», glaubt Smiljanic. In jungen Jahren sei es noch möglich, mit spielerischen und technischen Fertigkeiten nach oben zu schwimmen, doch ab der Stufe U16 seien harte Arbeit sowie die Bereitschaft zu leiden und zu verzichten wichtiger als Talent. Er habe den jungen Spielern, welche einmal mit der 1. Mannschaft trainieren durften, immer gesagt, dass sie Vollgas geben müssen. Oder wie es Smiljanic plakativ ausdrückt: «Man darf auch mal einen älteren Spieler gröber attackieren. Alle müssen spüren, dass der Junge um seinen Job kämpft.»

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Er instruiert seine Spieler im Training mit kurzen, klaren Anweisungen

Nach einigen Jahren im GC-Nachwuchs sei es für ihn «eine logische Konsequenz» gewesen als Trainer in den professionellen Aktiv-Fussball zu wechseln, doch das Engagement beim FC Schaffhausen kam dennoch überraschend – im «Tausch» mit seinem ehemaligen Teamkollegen Murat Yakin, welcher seinerseits zum Rekordmeister wechselte. In der Munotstadt trat Smiljanic ein schwieriges Erbe an, führte die Mannschaft in der ersten Saison aber «dank einer Top-Zusammenarbeit» auf den zweiten Rang in der Challenge League. Dennoch hatte er nie das Gefühl in Schaffhausen angekommen zu sein, sodass die Entlassung im Februar 2019 auch eine Erlösung war. Endlich einmal aus dem «Hamsterrad» ausbrechen, nach 26 Jahren im Profisport. Endlich einmal vorausplanen zu können und unbeschwert für ein Wochenende mit seiner Frau nach Paris oder in die Berge zu fahren, sei «mega schön» gewesen.

«Die Verantwortlichen sollen mich aufgrund meiner Qualitäten verpflichten – und nicht, weil ich irgendwo Präsenz markiere.»

Boris Smiljanic, über Selbstvermarktung

Dass Smiljanic – abgesehen von einem kurzen Engagement als Assistenztrainer beim FC Basel – in der Folge rund dreieinhalb Jahre ohne Anstellung blieb, habe sich so ergeben. Zwar gingen immer wieder Anfragen ein, doch nichts, was ihn gepackt hätte. Von Agenten wurde er wiederholt bombardiert, dass er sich im TV-Studio und auf den Tribünen zeigen müsse, um im Gespräch zu bleiben, aber das sei nicht seine Art. «Die Verantwortlichen sollen mich aufgrund meiner Qualitäten verpflichten – und nicht, weil ich irgendwo Präsenz markiere», macht Smiljanic deutlich. Im Stillen verfolgte er das Business natürlich weiterhin: Die Ergebnisse zahlreicher Spielklassen wurden zur «Montagslektüre». Er hospitierte bei den europäischen Spitzenclubs Dynamo Kiew und Valencia, zudem bot er Einzeltrainings mit Spielern in seiner Wahlheimat Spanien an. «Ich war nie ganz weg», so Smiljanic – und dennoch kam der Anruf von Sandro Burki im letzten Herbst überraschend.

Zweite Halbzeit in Lausanne als «Erleuchtung»

Viel Zeit zum Kennenlernen blieb nicht – nach nur einer Trainingseinheit stand das erste Spiel auf dem Programm. Aus vier Partien resultierten sieben Zähler. Anfangs habe er sich Sorgen gemacht, dass die Implementierung seiner Spielidee drei bis vier Monate in Anspruch nehmen würde. «Diese Zeit haben wir nicht», weiss auch Smiljanic. Eine «Erleuchtung» sei die zweite Halbzeit in Lausanne gewesen, als die Aarauer nach der Umstellung auf das von ihm bevorzugte 4-4-2-System mit Raute noch zu einem Remis kamen. «Diesen Weg werden wir nun konsequent weitergehen», so Smiljanic. Als «sehr positiv» bezeichnet er die Eindrücke aus der zu Ende gegangenen Vorbereitungsphase, denn die Spieler hätten verstanden, dass die einfachen Dinge funktionieren müssen.

«Ich lasse den Jungs viele Freiheiten», sagt Smiljanic. In der heutigen Zeit sei es im Umgang mit den Spielern wichtig, direkt und fürsorglich zu sein, aber auch Leitplanken zu setzen. Bei dieser Aufgabe wird er seit einigen Wochen von Danijel Borilovic unterstützt, der die vakante Position des Assistenztrainers (von José Barcala) übernahm und schon in Schaffhausen mit ihm zusammenarbeitete. «Er ist meine Vertrauensperson, aber komplett anders als ich», sagt Smiljanic. Es brauche einen aktiven Meinungsaustausch. Generell verlange er von seinem Staff, dass sie ihm alle nötigen Inputs liefern, um die bestmöglichen Entscheidungen zu treffen.

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Smiljanic bedankt sich bei den FCA-Fans nach dem Gastspiel in Lausanne

Auch Smiljanic ist sich bewusst, dass in der zweiten Saisonhälfte nicht mehr viele Ausrutscher erlaubt sind, doch sei es die Aufgabe des Trainerteams mit einer optimalen Vorbereitung auf die Spiele auch einiges an Druck wegzunehmen. Zugleich brauche es die nötige Ernsthaftigkeit in jeder Aktion – bei jeder Ballannahme, bei jedem Pass und bei jedem Zweikampf. «Wenn wir die Jungs dorthin bringen, kann uns nichts passieren. Dann können wir uns nur noch selber schlagen», so Smiljanic.

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Dieser Artikel ist am 28. Januar 2023 in der Ausgabe Nr. 11 (Saison 2022/23) der Matchzeitung HEIMSPIEL gegen den FC Thun erschienen.

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