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Im zweiten Teil unseres Jahresabschluss-Interviews sprechen Roland Baumgartner und Philipp Bonorand über Corona-Schutzkonzepte, die finanzielle Situation und die Ausnahmebewilligung für das Brügglifeld.

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Roland, du warst in den letzten Monaten auch als «Covid-Verantwortlicher» des FC Aarau gefordert. Wie hast du die Arbeit mit den Schutzkonzepten erlebt?

Patrick Haller

Wir haben alle Schutzkonzepte ernst genommen und auch immer wieder an die momentanen Bedingungen angepasst. Dabei habe ich mich intern nicht nur beliebt gemacht, als ich auf die konsequente Einhaltung der Regeln gepocht habe. Beim Heimspiel gegen Neuchâtel Xamax, als wir dank unseres Konzepts für Grossveranstaltungen über 2'000 Zuschauer im Brügglifeld begrüssen durften, hat sich gezeigt, dass sich der Aufwand gelohnt hat. Wir haben nur positive Reaktionen erhalten - zum einen für unsere klare Kommunikation im Vorfeld, zum anderen auch für die Organisation am Matchtag, welche reibungslos ablief. Die Massnahmen sind von allen Zuschauerinnen und Zuschauern getragen worden. Diese Erfahrungen sind wichtig für uns, weil ich überzeugt bin, dass wir unser Konzept im neuen Jahr wieder brauchen werden.

Roland Baumgartner

In diesem Jahr hat es auch viel Kommunikation mit den kantonalen Behörden gebraucht.

Patrick Haller

(lacht) Zum Teil hatte ich die Aargauer Kantonsärztin öfters am Telefon als meine eigene Frau, aber das war ein gutes Zeichen für den Austausch. Unser Dank geht nicht nur an Frau Dr. med. Yvonne Hummel, sondern auch an den zuständigen Regierungsrat Jean-Pierre Gallati und an das Departement für Bildung, Kultur und Sport (BKS) mit Alex Hürzeler und Christian Koch. Wir haben uns sehr gut unterstützt gefühlt. Es wurde frühzeitig ein offener Dialog über Chancen und Risiken geführt. Dass wir den grossen Umbau im Brügglifeld überhaupt in Angriff genommen haben, ist auch dem Entgegenkommen und Vertrauen seitens der Behörden zu verdanken - so darf in unserem Konzept für Grossveranstaltungen die Kapazität der neuen Sitzplätze ausgeschöpft werden, weil die Gesamtkapazität mit 3'400 Personen (normal: 8'000) nun deutlich unter den geforderten zwei Dritteln liegt. Auf dieser Grundlage wurden dann unsere Umbaupläne entwickelt - mit einem tollen Endergebnis, welches optimal zum FC Aarau passt.

Roland Baumgartner
«Wir rechnen mit einem Minus im mittleren sechsstelligen Bereich - und das erste Halbjahr 2021 wird sich gemäss unseren Budgetberechnungen in einem ähnlichen Rahmen bewegen.»

Philipp Bonorand, VR-Präsident

Wie beurteilst du die langfristigen Perspektiven in Bezug auf die Zuschauer?

Patrick Haller

Bei meiner persönlichen Einschätzung hoffe ich natürlich, dass die Fallzahlen möglichst rasch wieder rückläufig sind. Dazu braucht es jedoch uns alle, vor allem im privaten Bereich. Wenn wir die täglichen Corona-Neuinfektionen schweizweit auf rund 500 drücken können, glaube ich, dass wir wieder das 1’000er-Konzept aus der Schublade nehmen können. Dies wäre für uns insofern optimal, als dass wir so jeweils die Hälfte der Saisonkarteninhaber ins Stadion lassen könnten. Ich habe auch die Hoffnung, dass das Konzept für Grossveranstaltungen im wärmeren Frühling - wenn die Corona-Impfung verfügbar sein wird - wieder zum Einsatz kommen wird. Dadurch könnten wir alle Abonnenten berücksichtigen und auch wieder einen Einzelverkauf von Tickets anbieten, einhergehend mit einer Normalisierung der Zuschauereinnahmen. Langfristig ist noch unklar, wie es mit den neuen Sitzschalen weitergeht. Es ist durchaus möglich, einen Teil der Sitze «nach Corona» im Sinne eines Mehrwerts für die Zuschauer installiert zu lassen, wie die entsprechenden Abklärungen mit der Swiss Football League ergeben haben.

Roland Baumgartner

Philipp, wie steht es um die finanzielle Situation des FC Aarau?

Patrick Haller

Natürlich haben wir einschneidende Einnahmeausfälle - vor allem im Zusammenhang mit den Zuschauerbeschränkungen - zu verkraften. Aber wir stehen trotzdem besser da als erwartet, weil wir frühzeitig Massnahmen ergriffen haben. Dazu zählten die temporäre Umstellung auf Kurzarbeit und verschiedene Anpassungen im Spielerkader. Ebenso hat uns die grossartige Solidarität von Fans, Gönnern und Sponsoren in diesem Jahr getragen. Dennoch rechnen wir mit einem Minus im mittleren sechsstelligen Bereich - und das erste Halbjahr 2021 wird sich gemäss unseren Budgetberechnungen in einem ähnlichen Rahmen bewegen. Zwar befinden wir uns in einer ernsten Ausgangslage, doch schlaflose Nächte habe ich nicht. Zudem können wir noch auf gewisse Reserven der vergangenen Jahre zurückgreifen. Entscheidend wird der Zeithorizont sein - sowohl bei den aktuellen Einschränkungen als auch in Sachen Solidarität. In diesem Zusammenhang sind wir natürlich auch froh über die positiven Signale des Staats in Form von zinslosen Darlehen und A-fonds-perdu-Beiträgen. Aber am meisten hilft es uns, wenn uns die Leute nicht fallen lassen.

Philipp Bonorand
«Es ist eine Diskussion ins Rollen gekommen, sodass wir viele Dinge - insbesondere bei der Lohndebatte - ins rechte Licht rücken konnten.»

Roland Baumgartner, Geschäftsführer

Roland, wie hast du die politische Debatte in den letzten Monaten erlebt?

Patrick Haller

Ich habe viel Positives aus der politischen Diskussion mitgenommen. Anfänglich waren immer wieder Aussagen zu hören, welche jeglicher Grundlage entbehrt haben - nur wenige Politiker hatten fundierte Kenntnisse von der Materie. Inzwischen haben sie sich ausführlich mit dem Thema «Profisport» auseinandergesetzt. Es ist eine Diskussion ins Rollen gekommen, sodass wir viele Dinge - insbesondere bei der Lohndebatte - ins rechte Licht rücken konnten. Es hilft uns zweifellos, wenn wir für die entfallenen Zuschauereinnahmen entschädigt werden, zumal auch die latente Gefahr von Rückforderungen für nicht erbrachte Leistungen bei den Saisonkarteninhaberinnen und Saisonkarteninhabern bleibt. Deshalb begrüssen wir auch die angedachten A-fonds-perdu-Beiträge. Aus meiner Sicht handelt es sich um eine gut schweizerische Kompromisslösung. Weil nur die Summe der Löhne über dem UVG-Maximum von 148'200 Franken von der geforderten Reduktion betroffen sind, ist es für uns problemlos umzusetzen. Zurzeit warten wir auf die definitive Verordnung - so gibt es bei der Berechnung der A-fonds-perdu-Beiträge für fehlende Zuschauereinnahmen noch offene Fragen zu klären.

Roland Baumgartner

Im Laufe dieses Jahres war auch bekannt geworden, dass der FC Aarau von einer enormen Prämienerhöhung bei der Unfallversicherung (UVG) betroffen ist. Wie sieht es aktuell aus?

Patrick Haller

Diese Geschichte beschäftigt uns natürlich, unabhängig von Corona. Es ist Wahnsinn, was wir bezahlen müssen. Es war schon im Vorjahr eine enorm undankbare Situation für unseren Sportchef Sandro Burki. Ihm wurde vorgeworfen, diverse Abgänge trotz vorhandenem Lohnbudget nicht ersetzt zu haben. Dabei waren es die UVG-Beiträge, welche substanzielle Teile dieses vermeintlichen Budgets aufgefressen hatten. In diesem Jahr sind die Kosten erneut gestiegen, was uns zusätzlich weh tut. Unsere Gesamtsituation wäre deutlich entspannter, wenn wir einen fairen Preis bei den UVG-Prämien erhalten würden. Leider wird das auch im nächsten Jahr nicht möglich sein. Es ist also nicht alles nur eine Frage von Corona...

Philipp Bonorand
«Damit dürfte sich auch unser sachliches, vernünftiges Arbeiten und unser Ruf als seriöser Klub ausbezahlt haben.»

Philipp Bonorand, VR-Präsident

Apropos Corona: In den vergangenen Monaten mussten viele Spiele abgesagt werden, weil sich eine Mannschaft in Quarantäne befand. Daher wurden nun die Regeln für Spielabsagen geändert...

Patrick Haller

Es war ein Vorschlag, den die Liga gemacht hat. Uns war klar, dass etwas verändert werden musste - mit dem Ziel, mehr spielen zu können. Natürlich war es auch ein Abwägen zwischen sportlicher Gerechtigkeit und verfügbaren Ersatzdaten. Diese Regelung mit den Spielerlisten ist ein sinnvoller Schritt, wird aber nicht alle Probleme lösen können. Es gibt schlichtweg keine perfekte Lösung, aber damit wird man leben müssen. Ein Ärgernis ist hingegen das Verhalten verschiedener Kantonsärzte, die die Regeln anders als vereinbart auslegen. Die Swiss Football League hat mehrfach den Versuch unternommen, hier endlich zu einer einheitlichen Regelung zu kommen, doch die Kantonsärzte waren nicht zu Gesprächen bereit. Ich bin sehr froh, in einem Kanton mit einem vernünftig handelnden Regierungsrat und einer pragmatischen Kantonsärztin zu leben. Unabhängig davon, gibt es aber natürlich auch Situationen, wo es weiter angebracht ist, die ganze Mannschaft unter Quarantäne zu stellen.

Philipp Bonorand

Die Swiss Football League hat auch eine neue Ausnahmebewilligung beim Stadionneubau gutgeheissen - auf Antrag des FC Aarau und des FC Lugano. Wieso war die Anpassung nötig?

Patrick Haller

Die Swiss Football League hätte unsere bisherige Ausnahmebewilligung im Brügglifeld im Jahr 2022 aus reglementarischen Gründen nicht mehr verlängern dürfen. Damit wären wir aus der Challenge League zwangsweise abgestiegen. Deshalb wollten wir diese Thematik rechtzeitig angehen und sind - gemeinsam mit Lugano - bei der Liga und den Clubs vorstellig geworden. Ich bin sehr dankbar, dass uns die anderen SFL-Vertreter unterstützt haben. Damit dürfte sich auch unser sachliches, vernünftiges Arbeiten und unser Ruf als seriöser Klub ausbezahlt haben. Zudem wurde auch honoriert, dass wir immer am Stadionprojekt drangeblieben sind - uns kann nicht vorgeworfen werden, dass wir etwas verzögern würden. Aber es darf nicht sein, dass wir für von uns nicht beeinflussbaren Regelungen unseres Rechtsstaates bestraft werden. Ebenso klar ist aber auch, dass die Swiss Football League uns die jährliche Bewilligung nicht geben muss. Es liegt also an uns, denn die Liga wird unser Handeln kritisch hinterfragen und den Druck aufrechterhalten, aber in einem realistischeren Szenario. Am Ende werden wir sowieso keine Wahl haben: Ich will möglichst schnell ins neue Stadion, weil es im Brügglifeld - trotz aller Nostalgie - einfach keine langfristige Perspektive gibt.

Philipp Bonorand
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